: Lassen Deutsche und Franzosen das Gatt platzen?
Auch gestern blieben die wichtigsten EG-Länder in der Agrarfrage eisern ■ Aus Brüssel Andreas Zumach
Spätestens heute wird sich entscheiden, ob die Gatt-Ministerrunde in Brüssel platzt oder bis zum Wochenende doch noch ein allgemeines Rahmenabkommen zustande bringt — oder sich wenigstens auf eine Fortsetzung der Verhandlungen zu einem späteren Zeitpunkt einigt. Zahlreiche Delegationen hatten seit Beginn der Ministerrunde am Montag morgen erklärt, bis spätestens gestern abend müßten Entscheidungen zur Änderung der erstarrten Positionen gefallen sein. Diese Erklärungen zielten fast ausnahmslos auf die EG, deren völlig unbewegliche Haltung in der Agrarfrage der Hauptgrund für den Stillstand ist.
Innerhalb der Zwölfergemeinschaft gibt es Differenzen über das weitere Vorgehen. Die Abgesandten der Bonner Regierung ließen die Minister der anderen elf EG Staaten wissen, daß die Bundesrepublik Deutschland auch nach dem Wahlsieg der Koalition keine Vorschläge für eine flexiblere Haltung der EG- Staaten machen werde.
Die Handels-und Agrarminister der USA, Kanadas, Australiens — stellvertretend für die 14 agrarexportierenden Staaten der Cairns-Gruppe — sowie der 26 lateinamerikanischen und karibischen Staaten wiesen übereinstimmend die Behauptung der EG zurück, ihr Vorschlag für eine 30prozentige Reduzierung interner Agrarsubventionen führe indirekt auch zum Abbau von Exportbeihilfen und Marktzugangsbarrieren. In der Agrargruppe hatte EG- Kommissar Ray MacSharry am Montag abend die Auswirkungen auf Exportbeihilfen auf „zwischen drei und 40 Prozent“ beziffert. Voraussetzung sei allerdings, daß die Weltmarktpreise „stabil“ blieben und die Produktionsmengen nicht zunähmen. Zumindest in den letzten fünf Jahren war dies nicht der Fall.
US-Landwirtschaftsminister Yeutter reagierte auf MacSharrys Ausführungen mit der Bemerkung, diese seien „völlig unseriös“ und böten „keinerlei Verhandlungsgrundlage“. Alle anderen Verhandlungsteilnehmer bestehen darauf, daß die EG für die Bereiche „Exportbeihilfen“ und „Marktzugangsbarrieren“ konkrete, separate Reduzierungsvorschläge auf den Gatt-Tisch legt.
Kanadas Agrarminister Crosbie wiederholte gestern seine Einschätzung, daß die Bundesrepublik und Frankreich die Hauptbremser innerhalb der EG sind. Bei einem Treffen der EG-Minister erklärte die — wegen der Abwesenheit von Haussmann und Kiechle — ministerlose deutsche Delegation, Bonn werde selber „keine Vorschläge“ zur Verbesserung der EG-Position machen. Wenn andere Mitgliedstaaten solche auf den Tisch legten, werde die Bundesregierung sie „erörtern“. Die defensive Haltung wurde damit begründet, daß die BRD Frankreich „nicht in den Rücken fallen könne“. Paris lehnt jegliche Einschränkung der Exportbeihlfen strikt ab. Londons Handelsminister Lilly erklärte, daß es innerhalb der EG Differenzen über das weitere Vorgehen gebe. Großbritannien gehört zu den EG- Staaten, die für eine größere Flexibilität plädieren.
In der Sitzung der Agrargruppe kam es zu lauten Auseinandersetzungen zwischen MacSharry und dem argentinischen Agrarminister de Sola. Die in der Gruppe „Systema Economica Latino Americano“ (SELA) zusammengeschlossenen 26 lateinamerikanischen und karibischen Staaten bezeichneten das zweistündige Treffen als „Zeitverschwendung“. In der Sitzung hatte die EG ein neues Angebot für die Behandlung von Importen tropischer Produkte vorgelegt. Allerdings sind für die lateinamerikanischen Ökonomien zentrale Produkte wie Bananen davon ausgeklammert.
Der Sprecher von Gatt-Generaldirektor Dunkel erklärte gestern nachmittag, es habe im Agrarbereich „überhaupt keine Bewegung“ gegeben. Bis zum Redaktionsschluß der taz war völlig offen, ob sich die Agrarverhandlungsgruppe überhaupt noch einmal trifft.
Ebenfalls mit einem gemeinsamen, als „neu“ deklarierten Vorschlag zur Regelung des Handels mit Dienstleistungen im Finanzbereich warteten die Schweiz, Japan und Kanada auf. Nach diesem Vorschlag sollen den „Drittweltstaaten“ befristete Möglichkeiten zur Anpassung dieser Wirtschaftszweige an einen völlig liberalisierten Welthandel mit Finanzdienstleistungen eingeräumt werden. Beobachter wiesen darauf hin, daß ein entsprechender Vorschlag bereits vor geraumer Zeit bei den Gatt-Verhandlungen in Genf eingebracht und von den meisten „Drittweltstaaten“ zurückgewiesen worden war.
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