Startbahnprozeß: Schoß Eichler?

■ Im Prozeß um die Polizistenmorde an der Startbahn West entlasten Zeugen Frank Hoffmann und belasten Andreas Eichler

Frankfurt/Main (taz) — Am 110. Prozeßtag im Verfahren um die Polizistenmorde an der Startbahn West des Rhein-Main-Flughafens am 2. November 1987 haben gestern zwei Zeugen das bisherige Anklagekonstrukt zum Einsturz gebracht und Andreas Eichler als möglichen Todesschützen identifiziert.

Ein heute 27jähriger EDV-Techniker aus Bonn gab an, an jenem Abend unweit der Startbahn West auf der Böschung des Gundbachs einen Vermummten ausgemacht zu haben, der offensichtlich mit scharfer Munition in Richtung Startbahnmauer geschossen habe.

Die Waffe habe keine Signalmunition abgefeuert und sei lauter gewesen als Schreckschußwaffen. Nach vier Schüssen sei er auf den nur zwei Meter rechts vor ihm stehenden Mann zugegangen und habe ihn angesprochen: „Heh, was soll der Mist?“ Der Schütze habe sich zu ihm hingewendet und erklärt, er schieße nur auf Lichtmasten.

Obwohl der Betreffende eine Sturmhaube getragen habe, will ihn der Zeuge anhand Augen- und Nasenpartie als Andreas Eichler wahrgenommen haben, der ihm nach eigenen Bekunden oberflächlich bekannt sei. Der Schütze sei daraufhin rechts in Richtung Behelfsbrücke weitergegangen. Er könne ausschließen, daß es sich bei dem Schützen um den Angeklagten Frank Hoffmann gehandelt habe.

Auf dem Rückweg sei er im übrigen selbst festgenommen worden: Bei der Flucht vor der Polizei sei auf ihn zweimal scharf geschossen worden und das habe genauso geklungen wie im Startbahnwald.

Nach 21monatigem Verfahren hatte zuvor ein 29jähriger Student aus Berlin sein Schweigen gebrochen: Er gab an, am 2. November 1987 an der Startbahn West und fast während der ganzen Demonstration über mit Frank Hoffmann zusammen gewesen zu sein. Hoffmann habe sich wegen einer Handverletzung immer sehr weit hinten aufgehalten und lediglich den Polizeifunk abgehört. Der Angeklagte habe weder mit Signalmunition geschossen noch sich an den Ausschreitungen beteiligt. Erst auf dem Rückweg habe er Hoffmann unweit einer Waldhütte aus den Augen verloren.

Die Bundesanwaltschaft hat im Startbahnprozeß Andreas Eichler und Frank Hoffmann des gemeinschaftlichen zweifachen Polizistenmordes sowie der Verletzung dreier anderer Beamter angeklagt.

Nach eigenen Aussagen Eichlers soll ihm Hoffmann auf dem Rückweg nahe der Waldhütte die geklaute Polizeipistole, mit der scharf geschossen wurde, zugesteckt haben. Erst bei einer Hausdurchsuchung wenige Stunden später habe er gesehen, was ihm da in den Rucksack gelegt worden sei. Hoffmann hatte im bisherigen Prozeß zu den Vorwürfen geschwiegen.

Die beiden Zeugen gaben als Grund für ihr über dreijähriges Schweigen an, selbst Angst vor einer Strafverfolgung, etwa wegen Landfriedensbruchs, gehabt zu haben. Zudem habe man von Eichler die Rücknahme seiner „Lügen“ erwartet. Erst jetzt, wo ein Unschuldiger in den Knast solle, habe man sich zur Aussage entschlossen. M.B.