NRW-SPD pocht auf mehr Einfluß

■ Rau und Genossen wollen die SPD wieder zur volksnahen Partei machen

Der „Neuaufbau“ der Sozialdemokratie kann nach Auffassung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, Johannes Rau, „nur aus den Ländern und Gemeinden kommen“.

Die SPD, so Rau im WDR, „muß deutlich machen, daß sie eine Volkspartei ist. Sie muß die Breite zurückgewinnen, die wir in früheren Zeiten gehabt haben.“ Mehrheiten könne die SPD nur gewinnen, „wenn uns auch Menschen wählen, die genausogut CDU oder FDP oder Grüne wählen — oder gar Nicht-Wähler sein könnten“, hatte Rau schon vor der SPD-Fraktion am Montag gesagt.

Die SPD, die bei der Landtagswahl im Mai in NRW noch 50,0 Prozent erzielte, erreichte am Sonntag in NRW nur 41,1 Prozent und lag damit nur noch um 0,6 Prozent vor der CDU. Allerdings, die riesige Diffenrenz zwischen Bundes- und Landesergebnissen hat in NRW Tradition. Rau selbst schaffte als Kanzlerkandidat in NRW 1987 lediglich 43,2 Prozent, während er zwei Jahre zuvor bei der Landtagswahl 1985 noch über 52 Prozent geholt hatte. Diese unterschiedliche Zustimmung, so fürchten die Sozis, könnte sie auf Dauer auch im Land die Macht kosten.

„Die Schere zwischen dem Ansehen der Landesregierung und der Landespartei und dem der Bundespartei darf nicht zu weit auseinandergehen. Deshalb müssen wir weiter Einfluß nehmen auf die Entwicklung im Bund“, sagt Rau jetzt. Mit diesen Äußerungen macht er deutlich, daß die NRW-Sozis entschlossen sind, sich in der Bonner Baracke kräftiger einzumischen.

In der Führungsetage der Düsseldorfer SPD hält man von dem Bonner Parteiapparat, dem man seit langem vorwirft, die für die SPD lebensnotwendige gesellschaftliche „Bodenhaftung“ verloren zu haben, spätestens seit Raus Kanzlerkandidatur wenig. Vielen Düsseldorfer Spitzengenossen gilt der Parteivorsitzende Vogel ebenso als Fehlbesetzung wie die Bundesgeschäftsfüherin Anke Fuchs.

Leidlich zufrieden entwickelte sich hingegen das Verhältnis zwischen der Düsseldorfer Parteiführung und dem Kanzlerkandidaten Lafontaine, der die Wahlkampfstrategie Raus im Bundestagswahlkampf 1987 einst scharf gegeißelt hatte. Zu ihm sah die NRW-SPD, die etwa ein Drittel der Delegierten auf den vergangenen Bundesparteitagen stellte, keine Alternative. Im Wahlkampf entstand eine enge Zusammenarbeit zwischen Lafontaine und den in der Bonner Baracke oft abfällig titulierten „NRW-lingen“. Augenfälliges Ergebnis war, daß der Wahlkampfchef Lafontaines, Reinhard Klimmt, und Raus Wahlkampfmanager Bodo Hombach gemeinsam als Chefredakteure für die Wahlkampfzeitung der SPD, die 'ZAS‘, verantwortlich zeichneten.

Selbst so traditionell geprägte Sozialdemokraten wie der Düsseldorfer SPD-Fraktionschef Farthmann unterstützen Lafontaine, dem allein sie zutrauten, die SPD der 90er Jahre zu repräsentieren.

Jegliche Infragestellung von Lafontaine wertete Farthmann noch am Montag als „katastrophal. Ich bin der Meinung, daß kein anderer ein Zehntel Prozent mehr geholt hätte. Es gibt keinen Besseren für uns. Lafontaine ist unsere Nummer eins und muß unsere Nummer eins bleiben.“

Nachdem am Dienstag der Verzicht von Lafontaine auf den Parteivorsitz feststand, zeigte sich Farthmann schwer geknickt. Lafontaines Entscheidung schaffe ein gefährliches Vakuum und sei „eine bittere Enttäuschung“. Walter Jakobs