Stuttgart für Aufnahme sowjetischer Juden

 ■ Aus Stuttgart Erwin Single

Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland seine grundsätzliche Zustimmung zur Aufnahme sowjetischer Juden als Kontingentflüchtlinge gegeben. Nach einem von der Landesregierung am Montag gefaßten Beschluß wird das Land gemäß einem von den Bundesländern noch nicht endgültig festgelegten Kontingent von 1.000 bis 2.500 Flüchtlingen jährlich zwischen 120 und 300 Menschen aufnehmen. Mit diesem Schritt wolle die Landesregierung ihrer Pflicht nach einer „schnellen Hilfe aus humanitären Gründen“ nachkommen, erklärte Regierungssprecher Manfred Zach. Zudem verspricht sich die Regierung eine „Belebung“ der nur noch 1.800 Menschen zählenden jüdischen Gemeinden im Land.

Eine Entscheidung über die Einstufung sowjetischer Juden als Kontingentflüchtlinge soll auf der kommenden Innenministerkonferenz Mitte Dezember in Dresden getroffen werden. Stimmen alle Bundesländer zu, entfällt nach dem Kontigentflüchtlingsstatus das Asylverfahren und der Nachweis persönlicher Asylgründe; sie können zudem den Wohnsitz frei wählen und Arbeit suchen. Nach Angaben des Regierungssprechers warten rund 10.000 sowjetische Juden auf ihre Ausreise in die Bundesrepublik.

Bei der Entscheidung über Auswahl und Verteilung der sowjetischen Juden strebt Baden-Württemberg eine enge Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland an. Die Landesregierung ließ aber gleich verlauten, welch hohe Hürden sie an die Einwanderer gestellt haben möchte. Die sowjetischen Juden sollen entweder dem deutschen Kulturkreis angehören oder familiäre Beziehungen in die BRD nachweisen; darüber hinaus sollen Personen bevorzugt werden, bei denen Lebensunterhalt und Wohnung gesichert sei oder die sich auf Grund ihres Alters und ihrer beruflichen Qualifikation schneller eingliedern lassen. Wohl die wenigsten ausreisewilligen Sowjetjuden dürften diese Kriterien erfüllen.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland, der Stellungnahmen vor der Innenministerkonferenz nicht abgeben will, hat bereits vor einem Monat das sich abzeichnende restriktive „Kopfzahl-Verfahren“ deutscher Politiker für die „religiös verfolgten“ Sowjetjuden scharf kritisiert und ein generelles Niederlassungsrecht in allen Bundesländern gefordert.