Weserkraft: Bau und Ausstieg beschlossen

■ Aufsichtsrat billigt Rücktrittsrecht der Stadtwerke / Schiffahrtsdirektion stellt neue Bedingungen

Als der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke, Günter Czichon, gestern auf Nachfrage bekundete, auch er sei „froh“, daß das Weserkraftwerk gebaut werde, da sah er aus, als habe er soeben in eine Zitrone gebissen. Seit der Sitzung des Aufsichtsrates vom Vormittag aber ist es amtlich: „Nach dem Willen des Aufsichtsrates der Stadtwerke soll nun endgültig ein neues Weserkraftwerk gebbaut werden.“ Ein Vertrag mit dem Konsortium Weserkraft soll alsbald unterschrieben werden. Doch die unendliche Geschichte um den Bau des Kraftwerkes ist damit noch lange nicht zu Ende. Denn gleichzeitig beschloß der Aufsichtsrat einstimmig, daß die Stadtwerke von dem Vertrag zurücktreten können.

Die offizielle Begründung für das Ausstiegsrecht: Beim Betrieb des Weserkraftwerks fallen Defizite an, die bislang mit 2,7 Millionen Mark kalkuliert wurden. Sowohl die Bürgerschaft als auch der Senat haben beschlossen, daß die Stadt diese Verluste tragen will. Doch nach dem Vortrag von Günter Czichon scheint der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wedemeier dem Senatspräsidenten Klaus Wedemeier nicht über den Weg zu trauen. „Die Stadtwerke haben ein Rücktrittsrecht, falls die Verlust-Absicherung durch die Stadtgemeinde nicht sichergestellt werden kann“, trug Czichon vor. Doch selbst, wenn ein solcher Vertrag zwischen Stadt und Stadtwerken alsbald höchstoffiziell geschlossen würde: Das Rücktrittsrecht gilt 60 Tage über das Ende des Planfeststellungsverfahrens hinaus. Wielange ein solches Verfahren dauert, das mochte Czichon nicht schätzen.

Der Grund dafür liegt vor allem bei einem der „wesentlichen Beteiligten“ (Czichon) des Verfahrens, der Wasser- und Schiffahrtsdirektion. Im Auftrag dieser dem Bundesverkehrsminister unterstellten Behörde wird derzeit in Hastedt das neue Weserwehr gebaut. Geplante Fertigstellung: 1994. Und vor Ende der Bauarbeiten, so die bisherige Position, will das Bundesverkehrsministerium einem Bau des Kraftwerks nicht zustimmen. Dies ist den Stadtwerken bei einem Gespräch mit der zuständigen Wasser- und Schiffahrtsdirektion Aurich noch einmal unmißverständlich klargemacht worden. Czichon: „Uns ist nie etwas anderes gesagt worden als 1994.“ Und darüber hinaus stellt die Wasser- und Schiffahrtsdirektion weitere Forderungen. In einem Vermerk, der von dem Gespräch fertiggestellt wurde, ist festgehalten, daß die Stadtwerke erstens für die Entnahme von Flußsand beim Bau des Kraftwerkes und zweitens sogar für das Wasser, das sie dem Fluß zum Betrieb der Turbinen kurzzeitig dem Fluß entnehmen müssen, zahlen sollen.

Obwohl dadurch das vorliegende Finanzierungskonzept in Frage gestellt werden könnte, spielte der Vermerk laut Czichon bei der Aufsichtsratssitzung keine Rolle. Czichon auf die Frage, ob der Vermerk dem Aufsichtsrat wenigstens bekannt sei: „Der Aufsichtsratsvorsitzende kennt ihn.“

Trotzdem beschloß der Aufsichtsrat, ein Festpreisangebot von 87,2 Millionen zu unterschreiben, das von einen Baubeginn bis zum 31.Juli 1992 ausgeht. Für späteren Baubeginn ist eine Preissteigerungsklausel vereinbart. Czichon auf die Frage, ob der Termin 1992 angesichts der Haltung der Wasser-und Schiffahrtsdirektion nicht unsinnig sei: „Die Politiker glauben die Wasser-und Schiffahrtsdirektion noch zu einer anderen Stellungnahme bewegen zu können.“ hbk