Ost-SPDler für schnelle Ehe mit CDU

■ Diepgen hat der SPD nun offiziell Verhandlungen angeboten/ Beim Wahlverlierer wird nur um Posten gekungelt, nicht die Niederlage analysiert/ Verhandeln einige Ost-Sozis bereits mit der CDU?

Berlin. »Zügig, aber ohne Hektik« soll nach den Worten des Wahlsiegers Eberhard Diepgen die neue Regierung stehen — bereits gestern lud er die Sozialdemokraten offiziell zu Koalitionsverhandlungen ein. Während die hundertköpfige neue CDU- Fraktion gestern nachmittag zum ersten Mal zusammentrat, um über den Verhandlungskurs zu beraten, will die SPD offiziell erst auf ihrem Parteitag am Samstag über den Eintritt in Verhandlungen entscheiden. Obwohl in einigen traditionell linken Kreisverbänden bereits Kritik an einer großen Koalition laut geworden ist, gibt es keinen Zweifel daran, daß die geschlagenen Sozialdemokraten in eine Elefantenhochzeit einwilligen werden. Auf einer Sitzung der SPD-Parteispitze gestern vormittag wurde zwar eine Resolution für den Parteitag vordiskutiert, jedoch noch keine Entscheidung über die Verhandlungskommission getroffen.

Schon vor dem Parteitag zeichnet sich ab, daß die führenden Sozialdemokraten an einer innerparteilichen Diskussion über die Ursachen für ihre verheerende Niederlage wenig interessiert sind. Statt dessen wird schon mehr oder minder verhohlen über die künftige Pöstchenverteilung spekuliert. Welche Fehler auch die SPD in der rot-grünen Koalition gemacht hat, wird dabei ebenso verdrängt wie die Frage einer Kursneubestimmung. Der Wahlverlierer Momper hat es abgelehnt, von seinem Posten als Parteivorsitzender zurückzutreten und spekuliert offenbar jetzt doch auch auf den Fraktionsvorsitz.

Dem bisherigen Fraktionschef Ditmar Staffelt, der eine direkte Konkurrenz zu Momper fürchtet, raten nicht wenige GenossInnen, doch ein wichtiges Senatsamt zu übernehmen — welches, ist noch offen. Die Westler in der neuen Fraktion plagen indessen auch noch andere Sorgen: Von mehreren GenossInnen aus dem Ostteil der Stadt geht bereits das Gerücht, daß sie vorab schon mit der CDU verhandeln. Wie die taz erfuhr, hat die Ex-Parlamentspräsidentin von Ost-Berlin, Christine Bergmann, auf einer Sitzung der SPD in Hellersdorf am Dienstag abend ausgeplaudert, bereits Gespäche mit der CDU geführt zu haben. Auch vom Noch-Oberbürgermeister Tino Schwierzina geht das Gerücht, sich bereits mit der CDU verständigt zu haben — obwohl sein Sprecher Hoßbach dies gestern dementierte. Auch die CDU hat schnell erkannt, daß sie an diesem Punkt zusätzlichen Unfrieden in die SPD tragen kann: Schon kurz nach der Wahl hatte Generalsekretär Landowsky, der für den Fraktionsvorsitz im Gespräch ist, angekündigt, bevorzugt mit den Ostlern verhandeln zu wollen. Während in der neuen CDU-Fraktion aufgrund des Wahlergebnisses nur ein Viertel Abgeordnete aus dem Ostteil der Stadt sitzen, ist die SPD-Fraktion fast zur Hälfte geostet — für manchen West-Sozi ein heimlicher Alptraum. Nicht ganz ausgeschlossen ist auch die Möglichkeit, daß mancher weniger in Parteidisziplin getrimmte Ost-Sozi daran denkt, die Fronten zu wechseln. Zu einer CDU-FDP-Koalition fehlen nur drei Mandate, und jeder Überläufer nimmt sein Mandat mit... kd