Opfer einer Verleumdung?

■ Zeugen eines Vergewaltigungsprozesses fanden ihre Namen jetzt unter einem rassistischen Hetzblatt wieder

Berlin. Perfide Denunziation par excellence: Seit rund zwei Monaten kursiert im Märkischen Viertel ein rassistisches Flugblatt, auf dem den »Fighters« — einer Weddinger Jugendgang, in der sich hauptsächlich türkische Jugendliche zusammengeschlossen haben — und »allen anderen arschgefickten Kanaken« der Krieg erklärt wird. Den so Angesprochenen wird damit gedroht, ihnen die Ellenbogen zu brechen, Kniescheiben zu zertrümmern und Knöchel zu spalten. »Versteckt euch, solange ihr noch könnt«, heißt es weiter, »bis zum 02.12.90 habt ihr noch Zeit«.

Unter diesen Zeilen stehen drei Namen, jeweils mit voller Adresse. Nur — die vermeintlichen UnterzeichnerInnen kennen sich privat überhaupt nicht und distanzierten sich jetzt auch öffentlich von den in dem Flugblatt verbreiteten ausländerfeindlichen Parolen. Wie einer der drei, Arco Hartmann, gestern versicherte, hätten sie von dessen Existenz überhaupt erst durch einen Anruf der Polizei erfahren: Die nämlich hatte die an einem Baum aufgespießte Hetzschrift entdeckt und sich sofort an die vermeintlichen UnterzeichnerInnen gewandt. Seit der Verbreitung des Flugblattes blieben die drei auch von anderer Seite nicht unbehelligt: Mitglieder der »Fighters« und andere ausländische Mitbürger lassen bei ihnen die Telefondrähte heißlaufen. Hartmann habe deshalb mit seinen Bekannten bereits ein Klingelzeichen vereinbart, die anderen beiden zogen drastischere Konsequenzen und wechselten ihren Wohnsitz.

Allen dreien ist schleierhaft, wie gerade ihre Namen unter diese Hetzschrift gerieten. Sie hatten erst einmal überhaupt miteinander zu tun: als Zeugen beziehungsweise Kläger in einem Prozeß gegen einen Pfleger, der vor Jahren in einem Berliner Krankenhaus zwei Schwesternschülerinnen vergewaltigt haben soll. In diesem Zusammenhang war Arco Hartmann als Betriebsratsmitglied beauftragt worden, den Vorwürfen der beiden Schülerinnen nachzugehen. Eine dieser Frauen ist die vermeintliche Mitunterzeichnerin des Flugblattes, Carola P. Weil er sie vergewaltigte, erhielt der Pfleger eine dreijährige Haftstrafe, gegen die seine Verteidigerin aber bereits Revision einlegte. Die andere Vergewaltigung konnte dem Pfleger nicht nachgewiesen werden, das Verfahren endete mit Freispruch — der Ehemann der damaligen Schülerin, Uwe F., ist der dritte der vermeintlichen UnterzeichnerInnen.

Mittlerweile haben die drei bei der Polizei Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Vor wenigen Tagen jedoch wurden sie erneut von einem Anruf hochgeschreckt: Diesmal meldete sich der Betriebsrat der Berliner Stadtreinigung (BSR). Dort nämlich hatte jemand besagtes Flugblatt in die Schränke der ausländischen Mitarbeiter verteilt. maz