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: Mit Hammer und Stichel

■ "tele illustrierte", Dienstag, 4.12., ZDF, um 17.10 Uhr

Die Programmzeitschrift hatte Roland Kaiser versprochen, aber statt Roland gab es August den Starken.

Die „tele frustrierte“ (Karl Dall) tourt nämlich gerade durch die neuen Sendegebiete und gastiert an diesem Tag in Dresden. Weshalb hier auch keine typische Ausgabe dieses Magazins abgehandelt und analysiert werden kann, wie Brigadiere Thon und ich das eigentlich ausgeheckt hatten; erinnerten wir uns doch beide noch der frühen Fernsehjahre, da die Vorläuferin dieser Sendung, die Drehscheibe, mit bezaubernder Betulichkeit und der progressiven Schrillfarbigkeit der frühen Siebziger meist das Ende der Schularbeiten einläutete — bei mir jedenfalls. Gerne erinnere ich mich an die Moderatoren jener Jahre, an die glutäugige Ulrike von Möllendorff, die ja später aufstieg zur Nachrichtensprecherin, oder an ihren sympathischen Kollegen Gerd Mausbach, dessen Gesichtsform der ersten Silbe seines Nachnamens auf so putzige Weise alle Ehre machte...

Ach, vergangen ist die Jugendzeit und mit ihr die Stunden des unbeschwerten Fernsehvergnügens. Heuer muß man sich nach Dresden entführen lassen und einen sächselnden Weihnachtsmann ertragen.

Ulrike von Möllendorff hätte sich nie, wie ihre Kollegin „Susanne“, damit beschieden, unters Volk geschickt zu werden, um sich nach Christstollen und Erzgebirgsfiguren zu erkundigen, während ihr männlicher Kollege die seriösen und wichtigen Politikerinterviews führte.

Harmonisch geht's zu in der tele illustrierten, und wenn da ein Volksgenosse leise, behutsam und in aller Demut andeutet, daß die Abfallverwertung unter Umständen vielleicht früher doch ein klein wenig besser geklappt haben könnte, schon reißt „Susanne“ das Mikrophon an ihre tuchgeschmückte Brust und will kein Wort mehr hören.

Daß der Sänger und Showmaster Gunther Emmerlich die Nöte der Sowjetbürger und die finanziellen Probleme der Semper Oper ins Spiel brachte — wie unfein von ihm!

Zudem verweigerte er auch noch auf charmant störrische Weise Auskünfte über die neue Show, die er im Auftrag des ZDF demnächst präsentieren wird, unterband also, anders gesagt, die taktisch gewieft angeleierte Eigenwerbung.

Fragt ihn Tante „Susanne“ bezüglich seiner Show: „Weiß man denn schon, wie sie heißen wird?“ antwortet das bärtige Ostschutzmittel: „Ich weiß es schon, ja.“ Pikiertes Gelächter bei den Moderatoren und wieder Themawechsel.

Wogegen er denn jetzt stichele, wo doch Planwirtschaft und Kolchose und Zentralkomitee den Orkus hinabgespült worden sind und aller Mangel ein Ende habe? Ooch, dehnt der Befragte, die Gesellschaft gebe es wohl nicht, in der nicht der eine oder andere Mißstand aufgepiekt werden könne...

Staunen fürbaß auf seiten der selbstgefälligen Westler, und der Zuschauer vor dem Schirm daheim überlegt, ob diese ominöse neue Show etwa „Mit Hammer & Stichel“ heißen könnte?!

Trotz der offensichtlichen Kälte gibt er sich ganz schön unverfroren, nachgerade aufmüpfig, dieser feiste Ostler, und trübt die idyllischen Aufnahmen vom Dresdner Weihnachtsmarkt! Da spielen wir doch jetzt lieber ganz schnell einen Film ein vom Auftritt des Knabenchors, der leider nicht live singen konnte, weil die ganz kleinen Sängerlein noch schlafen müssen... Herr Dittmeyer