Zahnlose Wählerstreichelei

■ betr.: "Der Tiumph des Verlierers" von Klaus Hartung, taz vom 1.12.90, "Rot-Grün abgewählt" Kommentar von Klaus Hartung, "Das war's Walter Momper", Kommentar von Kordula Doerfler (Berlinteil), taz vom 3.12.90

betr.: „Der Triumph des Verlierers“ von Klaus Hartung, taz vom 1.12.90, „Rot-Grün abgewählt“ Kommentar von Klaus Hartung, „Das war's, Walter Momper“, Kommentar von Kordula Doerfler (Berlinteil), taz vom 3.12.90

Wer sich jetzt, wie Klaus Hartung, noch mit dem politischen letzten Schrei des „Jenseits von rechts und links“ aufplustert, kommt eh schon Jahrzehnte zu spät, als sich lange abzeichnete, daß es mit dem linksdogmatischen Avantgarde-Zauber vorbei und nur noch im Zusammenwirken des Drucks von unten und Reformen oben eine Miniperspektive zu sehen war. „Jenseits von links und rechts heißt doch im Klartext rechts — Herrschaft der „Sachzwänge“.

Die Linke hat sich hierzulande freilich mehr um Nicaragua gekümmert als um die Bürgerrechtsbewegungen in der DDR, galt es doch dem weltumspannenden Kolonialsystem von hier aus Nadelstiche zu versetzen, auf die demokratisch-sozialistische Entwicklung „drüben“ zu hoffen und nicht durch spektakuläre Parteinahme die Wut der dort Herrschenden mit Stasi-Kellern und Zuchthäusern noch mehr zu reizen. Als taz-Essayist muß man ebenso zänkisch wie in sich widersprüchlich Lafontaine gleichzeitig von rechts und von links kritisieren. Von links: er habe die Ideen der Herbst-Revolutionäre nicht aufgegriffen? Deren Ideen reichten nicht einmal dazu aus, den Arbeitern und Angestellten die Idee nahezubringen, ihre Betriebe zu besetzen, in denen sie oft Jahrzehnte geschuftet hatten, statt jammernd zuzusehen, wie deren Chefs illegitim und im Machtvakuum die Betriebe dem Westen verkauften. Schöne Revolutionäre!

Von rechts: mit dem öffentlichen Reichtum ist es nun hierzulande laut Hartung wegen der östlichen Armut zu Ende. Damit übernimmt er zynisch in vorauseilendem Gehorsam die zu erwartende CDU-Strategie, durch Umverteilung auf der unteren Ebene die Probleme der östlichen Armut mit zu lösen, statt etwa durch maßvolle Steuererhöhungen, die die Sparkonten der Bürger um einige Gradstriche gesenkt hätten durch Abgaben der fünf Prozent wirklich Reichen, den 70 Prozent des Volksvermögens gehören. Lafontaine jedenfalls hat dies gewollt. Zuletzt bekommt der SPD-Kandiat noch ein hohes Lob. Ja, wie denn nun?

Ganz schlimm wird es dann im Nachwahlkommentar vom 3.12. Ist es denn rechthaberisch, festzustellen, daß nun Gesamtdeutschland sich in eine Umwelthölle mit noch einigen Millionen geschwindigkeitsungebremster Autofahrer und weiterer Vernachlässigung der Entwicklung alternativer Energien zugunsten der traditionellen Großindustrie und Großforschung (200 Milliarden für das unnütze Spacelab und so weiter) entwickeln wird; mit ungebremster weiterer Verwüstung der Restlandschaft?

Und wer den CDU-Sieg mit dem Stabilitätsbestreben der Wähler erklärt, übernimmt ja die Mentalität der Vorstadtspießer, die er einem Diepgen ankreidet und legt zudem ein bedenkliches Demokratieverständnis an den Tag, so als ob ein Sieg Lafontaines das Chaos bedeutet. [...]

Eigentlich erwartet man von den taz-Kommentatoren etwas anderes als von der „Vielen-Dank-Herr- Bundeskanzler“-Journaille der anderen Presse, als diese zahnlose Wählerstreichelei. Auch K.Doerfler macht keine Ausnahme. Als Frau müßte ihr klargeworden sein: Die „Frauenbewegung“ ist eine Seifenblase, sie ist die Sache privilegierter Akademikerinnen und Künstlerinnen, während die Mehrheit der Frauen stur die Hexenjagd-, die Ab- ins-Gefängnis- und die Weg-mit- der-Fristenlösung-Partei gewählt hat. Yvonne Behr, Volker Koch, Berlin