Der Provokateur

■ Albie Sachs und die Kulturdebatte in Südafrika

Professor Albie Sachs ist Rechtsanwalt. Aber bekannt ist er als Opfer einer von südafrikanischen Agenten gelegten Bombe, die ihn im April 1988 beinahe tötete. Und als „Täter“, weil er Initiator einer heftigen Kontroverse über das Verhältnis von Kultur und Politik in Südafrika ist.

Sachs war am 7. April 1988 auf dem Weg zum Strand. Er lebte in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik — als eines von Tausenden von ANC-Mitgliedern, die ihr Leben in den Nachbarländern des Apartheidstaates verbrachten —, im Exil. Er hatte sich die Badehose übergezogen, das Handtuch unter den Arm geklemmt. Als er die Tür seines Autos öffnete, explodierte die Bombe. Sein rechter Arm wurde abgerissen, seine Lungen durchlöchert, seine Leber zerfetzt, ein Auge verletzt.

Sachs überlebte. Zufällig war ein Kameramann des mosambikanischen Fernsehens in der Nähe. Die Bilder des Verletzten neben den Autotrümmern gingen um die Welt. Schon wenige Tage später gab Sachs im Krankenhaus Interviews. Im September dieses Jahres erschien seine Autobiographie, in der seine Erfahrungen nach der Bombe eine zentrale Rolle spielen. So wurde er berühmt.

Vorher war der in Kapstadt geborene und aufgewachsene ANC- Jurist nur wenigen bekannt. Auch wenn er wie viele schon in den späten fünfziger Jahren, also noch vor dem Verbot des ANC 1960, in Kapstadt auf die Straße gegangen war, um die Gleichberechtigung von Schwarzen und die Abschaffung der Apartheid zu fordern. Nach dem Verbot des ANC blieb er im Lande, verbrachte Monate ohne Verfahren im Gefängnis. 1966 ging er.

In den letzten Jahren, vor seiner Rückkehr nach Südafrika im Mai dieses Jahres, beschäftigte Sachs sich als Mitglied der juristischen Abteilung des ANC mit der Formulierung einer neuen Verfassung für Südafrika. Mittlerweile haben Vorverhandlungen mit der Regierung begonnen, eine neue Verfassung soll in etwa einem Jahr ratifiziert sein. Sachs, der auf eine „Bill of Rights“ setzt und sich viele Grundlagen für eine Post-Apartheid-Gesellschaft bei den US-Bürgerrechten und deren „affirmative actions“ abschaute, hat ein Büro in der Johannesburger Witwatersrand-Universität, fliegt aber oft zu Konsultationen ins Ausland.

Präsent wie umstritten ist er allerdings weniger als Jurist, sondern vielmehr als prominenter Beteiligter an einer Debatte, die die südafrikanische Kulturwelt in den letzten Monaten beschäftigt. Es begann mit einem Diskussionspapier über Kulturpolitik, das Sachs Ende letzten Jahres für ein internes ANC-Seminar verfaßte. „Wir sollten es unseren Mitgliedern verbieten, zu sagen, daß Kultur eine Waffe des Kampfes ist“, meinte er einleitend — und griff damit das Credo politisch engagierter Künstler an. Immerhin gab und gibt es einen auf Anregung des ANC gegen Südafrika verhängten Kulturboykott. Ausnahmen wurden gemacht — aber wer als Theatergruppe, Musikerin oder Filmemacher Kontakt mit Südafrika wünschte, mußte sein Vorhaben von ANC-Bürokraten genehmigen lassen. Nur der Stempel „Anerkannt als Waffe des Kampfes“ öffnete die Pforten. Die Bürokraten waren entrüstet, die Kunstschaffenden verunsichert.

Sachs plädierte für Kulturprodukte, die vielseitiger, vieldeutiger sind, er forderte Schönheit, eine Abkehr von Themen des „Kampfes“. Sachs präsentierte keine schlüssige Alternative, sondern eine Serie provozierender Thesen. Entscheident ist, wer da spricht: ein wichtiges ANC-Mitglied, dessen Ideen offiziell als Diskussionspapier verbreitet wurden. Hans Brandt

Albie Sachs: The soft Vengeance of a Freedom Fighter , David Philip, Kapstadt, 1990.

Ingrid de Kok und Karen Press (Hrsg.): Spring is Rebellious — Arguments about Cultural Freedom by Albie Sachs and Respondents , Buchu Books, Kapstadt, 1990