Der Regisseur im geborgten Smoking

■ „Metropolitan“ von Whit Stillman — ein neuer Independent-Film aus den USA

Es ist eine reichlich exotische Welt, in die Metropolitan einführt: die exklusiven Zirkel der New Yorker Oberklasse, die Welt der eleganten Bälle und Dinnerparties, der Debütantinnen und ihrer befrackten männlichen Begleiter. Der Vergleich zum literarischen Universum Fitzgeralds drängt sich auf, kaum ein Rezensent kam daran vorbei: tatsächlich erinnern das Milieu und vor allem die Ironie der Figurenzeichnung von Whit Stillmans Regiedebüt an die frühen Gesellschaftsromanzen und -satiren des großen F.Scott.

Metropolitan besitzt alle Ingredienzen, um als amerikanischer Film auf europäischen Festivals zu reüssieren. Er ist einer der wenigen Lichtblicke in der diesjährigen Produktion der Independents, eine listige Hochstapelei: ein Film mit minimalem Budget, der an den mondänsten Schauplätzen Manhattens spielt und gedreht wurde mit filmunerfahrenen Schauspielern, die in ihre Parts ebenso geschmeidig hineinwachsen wie die von ihnen verkörperten Figuren in ihre soziale Rollen. Und es wird viel geredet, natürlich auch über Sex und Lügen (freilich nicht über Video, dazu mutet dieses Milieu doch zu anachronistisch an).

Von den Protagonisten in Steven Soderberghs Film unterscheiden sich Stillmans Figuren jedoch aufgrund ihres Alters: sie sprechen über die Erfahrungen, bevor sie sie gemacht haben und vertreiben sich so die Zeit des ungeduldigen Wartens. Noch sind sie in dem Alter, in dem ihnen ihre Eltern vorschreiben, was für Kleider sie abends tragen sollen. Noch ringen sie mit ihren Illusionen und Träumen und noch nicht mit der Welt. Metropolitan ist beinahe eine Teenagerkomödie.

Stillmans Figuren sind naiv, durchtrieben und pathetisch. Da gibt es beispielsweise Nick, den dünkelhaften, aber verbindlichen decadent, ein Snob, dessen Beredsamkeit ihn zum Zeremonienmeister der Gruppe werden läßt („Der Chachacha ist auch nicht lächerlicher als das Leben selbst!“). Charlie ist erfüllt von einer fast idealistischen Verehrung seiner eigenen Klasse: er hatte gehofft, Bunuels Film Der diskrete Charme der Bourgeoisie würde endlich einmal die Wahrheit zeigen: daß die Bourgeoisie wirklich Charme beistzt. Audrey ist das verletztlichste Mitglied der Gruppe, sie hat sich in einen Jungen verliebt, nachdem sie seine Liebesbriefe an eine andere gelesen hat. Dieser Junge ist Tom: ein Außenseiter, der sich den Smoking für die Parties leihen muß und im übrigen ein „Radikaler“ ist. Stillmans Drehbuch verrät großes Geschick darin, die verschiedenen Figuren in die reizvollsten Konstellationen zu manövrieren: Regelmäßig gelingt es ihm, die vielversprechendsten Partner für einen Dialog aufeinandertreffen zu lassen. Die Dialoge des Films sind doppelbödig genug, daß Stillman auf Kamerabewegungen verzichten kann (welche ihm das Budget ohnehin nicht erlaubt hätte), um zu veranschaulichen, wie sich die Haltungen und Beziehungen der Figuren untereinander innerhalb einer Szene verändern. Für die Liebesgeschichte zwischen Audrey und Tom läßt er sich sehr viel Zeit; sein Film handelt auch davon, wie eine Gemeinschaft individuelle und ureigenste Gefühle beeinflussen kann.

Es ist verführerisch, in Tom das Alter ego des Regisseurs zu entdecken: er ist ein Außenstehender in diesem Milieu, dessen kritischer Blick sich rasch zu einem sympathisierenden korrumpieren läßt (wenngleich dies bei Tom mit weit mehr Widerwillen einhergeht). Am Ende — die Ballsaison dauert nur von Weihnachten bis zum Jahresende — registriert er mit Wehmut, wie sich die Gruppe wieder auflöst: er wird die Gesellschaft dieser exaltierten Snobs vermissen. Wir Zuschauer übrigens auch. Gerhard Midding

„Metropolitan“, USA 1990, Drehbuch und Regie: Whit Stillman, Kamera: John Thomas, Darsteller: Carolyn Farina, Edward Clements, Taylor Nichols u.a., 98 Minuten.