„Da bräucht' es keine Fahnenflucht“

■ Von klaren Desertionsabsichten bei der Bundeswehr ist bisher wenig bekannt

Mehr als 100 in Deutschland stationierte GIs wollen nach Angaben der Grünen und des Kastellauner „Military Counseling Network“ desertieren, wenn sie mit ihren Einheiten an den Golf verlegt werden. Bei der Bundeswehr hingegen ist die Lage noch ruhig — rund 30 Anfragen nach Informationsmaterial und rechtlicher Beratung hat Martin Gräbener, Abrüstungsbeauftragter beim Bundesvorstand der Grünen, zu verzeichnen.

Während bei Friedensgruppen, den Grünen und beim „Counseling Network“ keine konkreten Fahnenfluchtabsichten bekannt sind, spricht Erich Schmidt- Eemboom vom Forschungsinstitut für Friedenspolitik in Weilheim von „einigen Handvoll Fällen“. Diese Soldaten seien überwiegend Fallschirmspringer, die zur schnellen Eingreiftruppe der Nato gehören. Von klaren Desertionsabsichten kann auch Major Helmuth Prieß, engagiert bei der fortschrittlichen Offiziersvereinigung „Darmstädter Signal“, vorerst nichts berichten. Im „Darmstädter Signal“ sind seit 1983 200 Offiziere und Unteroffiziere organisiert, die sich mit Abrüstung, dem Abbau der Rüstungsexporte und der Demokratisierung der Bundeswehr befassen. Die Frage stelle sich aber noch nicht so dringend, so Prieß, weil die Verfassung noch nicht für den „Out-of-area“-Einsatz der Bundeswehr mit oder ohne UNO geändert sei. Werde das Grundgesetz in diese Richtung verändert, sieht Prieß allerdings „arge Gewissenskonflikte auf die Bundeswehrsoldaten zukommen“. Ein Einsatz am Golf ist nach Meinung von Prieß mit dem „bisherigen Berufsbild“ der Bundeswehrsoldaten nicht vereinbar. Der „Aufgabenbereich“ werde sich dann elementar ändern — von der Kriegsverhinderung in Europa zur Wahrnehmung deutscher Interessen in der Welt. Deshalb müsse für einen Einsatz der deutschen Armee nicht nur die Verfassung geändert werden, sondern auch der soldatische Eid. Führen gegenwärtig die deutschen Minenräumer aus dem Mittelmeer in den Golf, dann seien die Soldaten wegen des Grundgesetzes und ihres Eides sogar verpflichtet, den Befehl zu verweigern: „Da bräucht' es nicht mal eine Fahnenflucht.“ kotte