Auf Safari gewesen

■ Ost/West-Fotografen in der Galerie 101

Nach dem Kriege. Zuerst waren die Unterschiede nicht so groß. Die Fotografen benutzten noch dieselben Apparate, die technische Entwicklung klaffte nicht allzu weit auseinander. Später jedoch, als der Westen schon die Nikon kannte, behalfen sich die Fotografen in der DDR mühselig mit EXA und Penti.

Doch trotz aller technischer Diversifikation ist der Phenotyp des Fotografen in West wie auch in Ost im Grunde der gleiche geblieben. Auf beiden Seiten, so zeigt uns die Ausstellung in der Galerie 101, zeichnet sich der Blick durch die Optik der Kamera in seiner hier dargebotenen Variation, zu allerletzt durch Wißbegierde aus, für einen Fotografen keine Ehre. Denn wozu fotografiert der Fotograf, wenn er nicht wißbegierig ist, warum knipst er, wenn er nicht Anteil nimmt an dem, was um ihn herum passiert?

In der Ausstellung »Sehweisen« sind per Aufruf Fotografen aus (damals) Ost und West vom Querformat-b e.V. aufgefordert gewesen, ihre persönliche Sicht von dem jeweils anderem Teil einzusenden. Das jurorische Ergebnis aller Sichtweisen ist mittlerweile in der Galerie 101 im Prenzlauer Berg zu sehen, von wo aus sie dann nach Kreuzberg gehen wird.

»Sehweisen« rekapituliert noch einmal die Überraschungen der unlängst vergangenen Geschichte, zeigt Schlaglichter beiderseitigen Neulandes und erhellt ebenso schlaglichtartig die eingeschränkte Aufnahmefähigkeit von Fototouristen. Die dargebotene Fülle der ausgestellten Arbeiten ist mitnichten im tieferen Sinne eine solche, und durch ihren flachen Charakter zeichnet sie in ihrem gedankenlosen Zitatenfondue den Umriß einer bildhungrigen Gruppierung, die einem Schnappschußgeiste huldigt, der sie in West/Ostberlin dieselben Fotos schießen läßt wie auch in Nepal und Neapel.

Wessis bemühen den nimmersatten Bananenfresser in ihren Fotos, und, damit es auch ins Auge falle, wird die Frucht in Gelb nachkoloriert und im Hintergrund die Reklametafel für das ND rot eingefärbt. Die Ossis dagegen fotografieren Schwarze vor dem Kranzler, oder grellbunte Werbeflächen (in Farbe) oder Kreuzberg... Was den Machern in ihrer Motivwahl noch nicht eindeutig genug erschien, verzierten sie unverzagt mit entsprechenden Bildunterschriften.

Angemerkt werden soll, daß dieses Unternehmen keine »Herzblut-Ausstellung« ist, sondern unter zahlenmäßig großer Beteiligung von sogenannten Foto-Profis abläuft. Aber nicht ein Fotograf in diesem Sammelsurium war in der Lage, unter die Haut zu blicken oder Neugierde zu beweisen. Neugierde, die etwas beweist, etwas entdeckt, nichts entblößt; etwas beschreibt und es nicht denunziert. Volker Handloik

bis 15.12. in der Dimitroffstr. 101, Berlin 1055, Mi-So 14-20 Uhr