„Die Gefahren sind einfach zu groß“

■ Die Greifswalder Ärztin Dr. Rosemarie Poldrack zum Antrag gegen den Block V der Atomzentrale an der Ostsee Der juristische Weg erscheint überaus erfolgversprechend INTERVIEW

taz: Frau Poldrack, in diesen Tagen soll der letzte der vier alten Reaktorblöcke vor Ihrer Haustür stillgelegt werden. Warum preschen Sie gerade jetzt gegen die Nummer Fünf vor, die sowieso seit einem Jahr stillsteht?

Rosemarie Poldrack:An Block V wird sich entscheiden, inwieweit dieses Werk in den nächsten Monaten arbeitsfähig bleiben kann und welche Chancen die Betreiber haben, überhaupt eine der neueren Anlagen ans Netz zu bekommen. In diesem Fall könnte weiter Strom produziert und Geld verdient werden.

Was machen Sie, wenn schon vor der Entscheidung der Genehmigungsbehörde über ihren Antrag die Erlaubnis zum Wiederanfahren von Block V kommt?

Das steht im Moment nicht auf der Tagesordnung. Es gibt erstmal einen generellen Betriebsstopp. Wenn es wider Erwarten doch plötzlich zur Inbetriebnahme kommt, werden wir gleich klagen. Die Gefahren, die gerade von dieser Anlage ausgehen, sind einfach zu groß.

In Schwerin regieren die Atomparteien CDU und FDP. Was passiert, wenn Ihr Stillegungsantrag abgelehnt wird?

Wir wollen dem Ministerium für die Entscheidung etwa drei Monate Zeit geben. Sollte dann die Absage kommen — was ich bei der sehr schlechten Qualität von Block V nicht annehme — werden wir sofort vor das Verwaltungsgericht gehen.

Die Genehmigungsbehörde in Schwerin befindet sich ja, freundlich gesprochen, erst „im Aufbau“. Reichen da drei Monate, um über Ihre Bedenken zu entscheiden?

Das ist schwer zu beantworten. Auch in Schwerin müssen die sich erstmal intensiv mit dem Atomgesetz und der ganzen Verwaltungsgerichtsbarkeit auseinandersetzen, die damit zusammenhängt.

Glauben Sie, daß die neue Behörde in Ihrer Landeshauptstadt autonom entscheiden kann?

Nein, sicherlich nicht. Die Verantwortlichen werden sich die Absegnung von Herrn Töpfer in Bonn holen. Bis zum 30. Juni 1991 ist das auch formal noch so geregelt. Wir haben deshalb auch ein Exemplar unseres Antrags gleich nach Bonn geschickt.

Das Verfahren ist eine Premiere für die ehemalige DDR. Mit welchen Problemen hatten Sie bei der Erarbeitung des Antrags zu kämpfen? Hat Sie jemand unterstützt?

Es hat Probleme genug gegeben, organisatorische und natürlich finanzielle und Probleme der Information. Ich konnte mich ja erst seit Herbst 1989 mit dem Zustand unseres Werks auseinandersetzen. Im letzten Jahr haben wir auch sehr viel Unterstützung von Fachleuten aus den verschiedensten Bereichen erhalten. Nur deshalb war es uns möglich, den Antrag so zu formulieren.

Eine persönliche Frage: Was sagen Sie eigentlich Ihren Mitbürgerinnen, die von der Baustelle und dem Betrieb des AKWs existentiell abhängen?

Wir versuchen mit öffentlichen Abenden, immer mehr Arbeiter aufzuklären und sie zu informieren. Viele, vor allem auf der Baustelle, sind resigniert. Sie werden auch dem Antrag skeptisch gegenüber stehen. Andere werden sagen, das war vorauszusehen, weil die Zustände eben wirklich so sind.

Fürchten Sie ein bißchen, daß Sie zur bestgehaßten Frau in Greifswald werden?

Es ist etwas schwierig, mit dem Wissen umzugehen, daß viele Leute einen nicht mögen. Trotzdem läßt mir das Wissen um diese Verantwortung keine Ruhe. Interview: Gerd Rosenkranz