Die weibliche Annäherung

■ »Konvergenzen« — eine Ausstellungsreihe in der Festspielgalerie

Konvergenzen heißt die erste Ausstellung einer ganzen Reihe, die zur Zeit in derFestspielgalerie in der Budapester Straße zu sehen ist. Zum Konzept des Ost-West- Projekts eine Betrachtung von Waltraud Schwab

Der Titel der Ausstellung muß etwas mit dem Inhalt zu tun haben, aber was nur genau? Die Richtung des Wortes ist noch bekannt, aber nicht, welchen Weg es einschlägt. Das Wörterbuch muß her. Nachschlagen: Konvergenz, w.; die Annäherung; insbesondere die Gleichheit von Kulturgütern, soweit sie durch die Gleichheit der Umwelteinflüsse bestimmt ist.

Programmatischer hätte der Titel nicht gewählt werden können. Konvergenz, weiblich; trifft auf jeden Fall zu, da zwanzig Frauen im Lauf des Jahres je paarweise den Raum der Festspielgalerie künstlerisch gestalten werden. In der gerade eröffneten ersten Ausstellung sind das einzige Mal alle daran beteiligten Künstlerinnen vertreten.

Konvergenz, weiblich; die Annäherung trifft ebenfalls zu. Von den zwanzig Künstlerinnen sind nämlich je zehn aus dem Osten und zehn aus dem Westen. Je eine Künstlerin aus der Ex-DDR wird mit einer Künstlerin aus West-Berlin zusammenarbeiten.

Konvergenz, weiblich; die Annäherung; insbesondere die Gleichheit von Kulturgütern, soweit sie durch die Gleichheit der Umwelteinflüsse bestimmt ist trifft ebenfalls zu, denn die Luft ist in ganz Berlin schlecht. Außerdem sind es gerade Ausstellungen, die den grenzüberschreitenden Aspekt betonen und von Frauen gemacht sind, die vom alten Senat finanzielle Zuwendungen erhoffen konnten. Das war den Initiatorinnen, darunter auch die selbst an der Ausstellung beteiligte Künstlerin Elke Nord und die Kunstvermittlerin Brigitte Hammer, bekannt.

Um Kulturaustausch unter DDR- und BRD-Künstlerinnen soll es bei der Ausstellung gehen. »Künstlerinnen paarweise« hat ein Besucher in das Gästebuch geschrieben. Und hinter seine Bemerkung hat er ein Ausrufezeichen und ein Fragezeichen gesetzt. Die beteiligten Künstlerinnen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Auch die Aufteilung in Zweiergruppen wurde nicht diskutiert.

Jedem Künstlerinnenpaar wird eine Kunstvermittlerin, also eine Frau, die eher auf der Interpretationsebene mit Kunst umgeht, zur Seite gestellt. Diese dritte Frau soll durch ihre Anregungen gewährleisten, daß die beiden Künstlerinnen den Raum als Einheit gestalten. Einheit ist dabei die künstlerische Metapher; zumindest unter Frauen soll sie möglich sein. Unterstützt wird die Idee der Zusammengehörigkeit der beiden künstlerischen Ansätze letztlich noch durch eine gleichzeitig dazu entstehende Komposition einer Musikerin.

Das Konzept der Ausstellung entspricht der politischen Realität Berlins. Zwei Stadtteile werden nach einer erzwungenen Trennung einer genauso zwanghaften Aufhebung der Trennung ausgesetzt und sollen erneut zu einer einzigen Stadt werden. Die kulturellen Unterschiede, die in den letzten dreißig Jahren entstanden sind, werden bei dieser Parforcekur weitgehend ignoriert. Wenn man sich jedoch die Arbeiten der zwanzig Künstlerinnen in der Festspielgalerie anschaut, sind es genau diese Unterschiede, die ins Auge springen. Die ausgestellten Arbeiten der Künstlerinnen aus der ehemaligen DDR zeigen, daß diese innerhalb eines figurativen Rahmens arbeiten. Der menschliche Körper oder die Wahrnehmung einer auf Menschen bezogenen Realität kommt bei acht der zehn Ost-Künstlerinnen und bei einer der zehn West-Künstlerinnen vor. Die Ost-Künstlerinnen thematisieren die Überschreitung gesetzter Grenzen der Wahrnehmung, indem sie die figürliche Darstellung mit beinahe mystifizierenden Attributen verfremden, mit Buchstaben, die wir nicht kennen zum Beispiel, oder mit Mondsicheln und Phantasiezelten.

Die Künstlerinnen des Westens überschreiten gesetzte Grenzen der Wahrnehmung, indem sie Begriffe wie Form und Ausmaß und Größe und Material durch ihren verfremdenden Umgang damit hinterfragen. Bei Salome Haettenschweiler beispielsweise sieht etwas so ähnlich wie ein Tisch aus, ist jedoch viel zu hoch, viel zu unregelmäßig und außerdem auch noch mit grauen Filzbinden umwickelt; bei Rosemary Jarman wird ein flacher, zwei Meter mal zwei Meter großer Holzrahmen mit Scharnieren versehen, übers Eck gehängt und bekommt dadurch räumliche Qualität.

Die Unterschiede zwischen den Künstlerinnen aus dem Osten und aus dem Westen sind so eklatant, daß Zweifel daran aufkommen, daß es eine gleichwertige Annäherung zwischen ihnen geben kann. Zwar könnten die Ost-Künstlerinnen all jene Kunstliebhaberinnen bedienen, die froh darüber sind, daß Frauen endlich wieder nackte Frauenkörper malen, viel wahrscheinlicher jedoch ist, daß die West-Künstlerinnen in einer Art feministischer Kunstinitiation ihre Ost-Partnerinnen an die Hand nehmen und in die Abgründe des internationalen kapitalistischen Kunstmarktes einführen werden.

Die Ausstellung Konvergenzen (1. Teil) ist noch bis zum 30.12. in der Festspielgalerie zu sehen.