Die SPD kneift bei Flüchtlingsweisung

■ Versprochene Schutzmaßnahme gegen Ausländergesetz wurde storniert, weil die CDU nicht mitmachen will

Berlin. Noch 26 Tage bis zum Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes. Bis gestern durften Flüchtlinge in Berlin noch auf die sozialdemokratisch geführte Innenverwaltung hoffen. Die hatte Ende Oktober zugesagt, den Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen (fünf Jahre Aufenthalt) noch vor dem 1.1.1991 zu einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und damit zu einem gesicherten Rechtsstatus zu verhelfen. Profitiert hätten von dieser Vorsorgemaßnahme Flüchtlinge, die weder Asylberechtigte noch Asylsuchende sind, aus humanitären Gründen aber nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen. Die meisten haben aufgrund der »Altfallregelung« des ehemaligen CDU-Innensenators Kewenig und der Flüchtlingsweisung« des Noch-Innensenators Pätzold (SPD) bereits eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Ihnen droht nach dem neuen Gesetz eine rechtliche Verschlechterung: In ihre Pässe wird nur noch eine Aufenthaltsbefugnis gestempelt, die jährlich verlängert wird — oder auch nicht.

Die AL-PolitikerInnen, aber auch Beratungsstellen, AnwältInnen und Flüchtlinge hatten sich auf das Versprechen von Innensenator Pätzold und dessen Staatssekretär Bormann verlassen, die entsprechende Weisung endlich am Anfang dieser Woche herauszugeben. Gegenüber VertretInnen des Berliner Flüchtlingsrates begründete die Innenverwaltung die Verzögerung damit, daß man das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten wollte. Doch jetzt will der Innensenator eine solche Anordnung nur noch in Übereinstimmung mit der CDU erlassen — und die lehnt ab. Die AL rät Flüchtlingen, trotzdem Anträge auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu stellen.

Mit den Auswirkungen des neuen Ausländergesetzes befaßten sich gestern auch die Sozialstadträte der Bezirke. Denn auch die Stadträte gehören zu den sogenannten öffentlichen Stellen, die ab 1.1. 1991 verpflichtet sind, der Ausländerbehörde »unverzüglich« Gesetzesverstöße von AusländerInnen und andere Ausweisungsgründe mitzuteilen. Unter bestimmten Umständen kann der Bezug von Sozialhilfe zur Ausweisung führen. Die drei SPD-SozialstadträtInnen aus Kreuzberg, Spandau und Charlottenburg, Junge-Reyer, Mende und Maier, erklärten nun, ihre Behörden würden von sich aus keine Daten von ausländischen SozialhilfeempfängerInnen an die Ausländerbehörde weitergeben. anb

Wer sich über Regelungen des neuen Ausländergesetzes sowie politische und juristische Konsequenzen informieren will, kann dies am Freitag, dem 14.12., um 19.00 Uhr im Rathaus Schöneberg, Raum 192, tun. Einen telefonischen Beratungsdienst zu den Themen »Aufenthaltsverfestigung, Familienzusammenführung und Einbürgerung« bietet die Westberliner Ausländerbeauftragte Barbara John am 12. und 19.12. an. Zwischen 10 und 14 Uhr werden unter den Telefonnummern 2604—2365 oder 235272356 (türkisch) Fragen beantwortet. Wer darüber hinaus die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung erfüllt, sollte diese unbedingt bis zum 31.12. 1990 bei der Ausländerbehörde in Ost- oder West-Berlin beantragen.