Resteverwertung

■ „Ekkehard“, ARD, Mi., um 20.15 Uhr

Geldnot macht erfinderisch — oder kaputt. Genauer gesagt: Bei Radio Bremen, dem armen Sender, wird jede selbst produzierte Vorabendserie ein zweites Mal verwertet — als Fernsehspiel. Das ist finanziell vernünftig, weil die Vorabendserien bei Radio Bremen nicht nur gut, sondern auch teuer sind. Warum also nicht, wie in einem durchgeplant geführten Haushalt, aus den Resten des teuren Familiengänsebratens noch ein Ragout für Gäste machen? Verständlich auch, daß man dann über das Ragout nicht wie über eine Verlegenheitslösung spricht, sondern es den Gästen anpreist als „eigentlich viel besser“, weil im Ragout die Gans noch intensiver schmecke und man nicht so umständlich Knochen nagen müsse.

So wurde auch Ekkehard, die goldene Gans des Vorabendprogramms von Radio Bremen, auf eineinhalb Stunden eingekocht, damit man bundesweit teilhaben könne an der dramatischen Entwicklungsgeschichte eines jungen Mönchs im Mittelalter, die sich ursprünglich in sechs Mal fünfzig Minuten entfaltet hat. Nur für die Zuschauer im Sendegebiet von Radio Bremen — denn das kommt erschwerend noch hinzu: Kein anderer Sender hat diese Serie fürs „harmonisierte“ Vorabendprogramm übernehmen wollen. Sie paßt nicht ins platt ausgeleuchtete Milieu der Werbe-Rahmenprogramm- Struktur. Doch alles Verständnis für Radio Bremens Not hilft nichts: Das Ekkehard-Ragout schmeckt nicht nach Gans und ist nicht mal gewürzt. Die Dramaturgie ist futsch, die stumme Langsamkeit der Serie ist einer triefäugig vordergründigen Geschwätzigkeit gewichen — und wo in der Serie Erotik war, ist nun im Fernsehspiel bloß unglaubwürdige und unfreiwillig komische Liebesraserei zwischen dem jungen Mönch und der Herzogin von Schwaben.

Ist das noch derselbe Gabriel Barylli wie in der Serie? Diesem Hysteriker, der durch eine schlecht geschnittene Handlung stolpert, nimmt man die Verzweiflung eines zolibatär Verliebten nicht mehr ab, denn es fehlt die lange, gefährliche Wanderung des klösterlich behüteten Mönchs durch die grausame Natur der mittelalterlichen Landschaft. Hat nicht die schöne Zdena Studenkova als Serienherzogin eine düstere, wortkarge Erotik ausgestrahlt und benimmt sich nun wie ein koketter und etwas angejahrter Backfisch, der zu viel schwatzt? Wo ist sie nur geblieben, die ruhige Kargheit des Erzählens, die mich an der Serie hingerissen hat? Und dämliche Sätze wie: „Wollt Ihr mir einen Vorwurf machen, daß ich die Hexe vertrieben habe, oder was?“ — gab es solche Sätze etwa schon in der Serie, oder hat man sie aus dem Schnipselabfallkorb geholt? Nein, das war nicht mehr der Ekkehard, der in einer lichtlosen, dumpfen Zeit an seiner Leidenschaft gelitten hat — das war nur noch das kostümierte Zitat einer einstmals mutigen und überzeugenden Ästhetik. Geldnot macht nicht erfinderisch — sie macht kaputt. Sybille Simon-Zülch