Eine „Gattastrophe“ im Schatten

■ Die Gatt-Verhandlungsdelegationen haben den Alternativkongreß nicht bemerkt

Brüssel (taz) — „Ekelhaft“ fand die philippinische Freihandelsgegnerin Theresita Oliveros nicht nur die „unterwürfige Haltung der Entwicklungsländer“ bei den Gatt-Gesprächen diese Woche in Brüssel. Das gleiche gelte auch für die Haltung der Gatt-Gegner, sagte die Bäuerinnenvertreterin am Ende der fünftägigen Gegenveranstaltung zu den offiziellen Handelsgesprächen. Die Teilnehmer von „Gattastrophe“ hätten nicht laut und radikal genug ihre Kritik geäußert. Daß Versuche in diese Richtung von den Organisatoren der offiziellen Veranstaltung systematisch behindert worden waren, konnte die Kritik nicht entschärfen.

Zum Abschluß einigten sie sich auf einen Forderungskatalog, der in den nächsten Monaten auf nationaler Ebene weiterdiskutiert und den jeweiligen Regierungen und Parlamenten vorgelegt werden soll. Vor allem die EG und die USA standen im Kreuzfeuer der Kritik: „Auf Kosten der Umwelt und zu Lasten der Umwelt produzieren sie riesige Lebensmittelüberschüsse, die die Bauern in der Dritten Welt in die Sklaverei treiben“, sagte der Erzbischof von Benin, Isidore de Souza. Den Entwicklungsländern sollen deshalb Schutzklauseln für ihre Wirtschaft gegen übermächtige Konkurrenz aus den Industriestaaten zugebilligt werden. Vor allem brauchten die Staaten der Dritten Welt Schutz vor Schwankungen der Nahrungsmittelpreise. Weitere Forderungen waren die Demokratisierung der Handelsgespräche, die Aufnahme von Umweltaspekten und die Ausklammerung von Patenten für „lebende“ Produkte.

In monatelangen Vorarbeiten hatte eine breite Koalition von Umwelt-, Konsumenten-, Bauern- und Kirchenorganisationen die vielfältigen Konsequenzen des Gatt-Abkommens deutlich gemacht. Trotzdem blieb ihr Einfluß auf die offiziellen Gespräche gering. Um so erleichterter reagierten die Organisatoren, als sich in dem Hauptquartier der Gatt-Gegner herumsprach, daß die offiziellen Gespräche wegen interner Schwierigkeiten in Genf fortgesetzt würden. Ob der unverhoffte Zeitgewinn helfen wird, wirksamen Widerstand gegen den Weltschlußverkauf zu organisieren, darüber waren sich jedoch selbst die Organisatoren unsicher. Michael Bullard