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Gatt-Verhandlungen bis Januar unterbrochen

Die unnachgiebige Haltung der EG-Minister in der Agrarfrage hat die Liberalisierung des Welthandels zunächst verhindert / Im neuen Jahr sollen sich die Experten aus den 107 Gatt-Ländern an der Vereinbarung entgegengesetzter Interessen versuchen  ■ Aus Brüssel Andreas Zumach

Die Brüsseler Verhandlungen der Gatt-Uruguay-Runde auf Ministerebene sind gestern ohne Ergebnis bendet worden. Sie scheiterten an mangelnder Kompromißbereitschaft der EG in der Agrarfrage. Zu einem noch nicht festgelegten Termin im Januar sollen die Verhandlungen über die Liberalisierung des Welthandels zunächst auf Expertenebene in Genf fortgesetzt werden.

In ersten Reaktionen nach Beendigung der Verhandlungen gestern mittag wurde für das Scheitern des Gatt übereinstimmend die EG verantwortlich gemacht. Die US-Handelsbeauftragte Carla Hills wollte zwar noch nicht von einem „endgültigen Scheitern“ der Uruguay-Runde sprechen. Man habe in Brüssel „einige Fortschritte gemacht“. Hills zeigte sich „sehr enttäuscht“. Die Haltung der EG in der Agrarfrage sei „ein politisches Problem“, das zunächst gelöst werden müßte. US- Handelsminister Clayton Yeutter ging noch einen Schritt weiter und erklärte, bevor die EG ihre Agrarposition nicht verändere, habe es „keinen Zweck, überhaupt nach Genf zu gehen“. Wir haben unsere Position bereits geändert“, reagierte der für Agrarfragen zuständige irische EG- Komissar Ray Mac Sharry gegenüber der taz auf Yeutters Äußerung.

Von Anfang an keine Verhandlungsbereitschaft

Wenn die USA und andere Verhandlungsparteien „ihre überhöhten Erwartungen nicht ändern, wird es keinen Fortschritt geben“, fügte er hinzu. Er habe den Eindruck, „daß einige Delegationen von Anfang an mit der Absicht nach Brüssel gekommen sind, ohne Ergebnis wieder nach Hause zu fahren.“

Der stellvertretende EG-Kommissionspräsident Frans Andriessen, der bei den EG-internen Beratungen in den Wochen vor der Brüsseler Ministerrunde für eine flexiblere Haltung und ein größeres Entgegenkommen plädiert hatte und deshalb zeitweise im Streit mit Mac Sharry lag, äußerte sich gestern ähnlich hart. Die EG habe für die von ihr „gezeigte Flexibilität von anderen nicht viel bekommen“.

Nachdem sie in den ersten beiden Konferenztagen am Montag und Dienstag keinerlei Kompromißbereitschaft gezeigt hatte, begann die EG-Kommission ab Mittwoch zunächst unverbindliche „Sondierungen“ mit anderen Delegationen über Detailveränderungen des ursprünglichen EG-Vorschlags (siehe gestrige taz).

Werden Agrarflächen stillgelegt?

Bundeswirtschaftsminister Hausmann sagte gestern nach dem Abbruch der Verhandlungen, die Bonner Bundesregierung müsse „die Agrarreform jetzt vorantreiben“. Dazu gehörten Flächenstillegungen und die Ermöglichung ökologischer Produktion. Dies müsse auch ein Thema für die Bonner Koalitionsverhandlungen sein. Nur eine Umsetzung dieser Schritte in der BRD und anderen EG-Staaten ermögliche „auch eine größere Flexibilität der EG im Rahmen der Gatt-Verhandlungen gegenüber den USA und der Cairns-Gruppe“. Haussmann plädierte dafür, die in „Brüssel erzielten wertvollen Zwischenergebnisse in anderen Gatt-Bereichen jetzt zu bewahren“.

Haussmanns Blick aufs Positive

„Erfreulich“ sei der jetzige Verhandlungstand bezüglich des Schutzes von Patenten und geistigem Eigentum, der „von allergrößter Bedeutung für die deutsche Industrie“ sei. Ähnliches gelte für die Bereiche Textil und Handel mit Dienstleistungen. Bei Dienstleistungen hatten die USA am Mittwoch ihre bis dahin starre Position geändert und — mit Ausnahme des Transportwesens — die bedingungslose Gewährung der Meistbegünstigungsklausel für andere Staaten in Aussicht gestellt. Voraussetzung sei allerdings, daß künftig „alle Staaten“ ihre Dienstleistungsmärkte öffneten.

Das endgültige Scheitern hatte sich bereits am Mittwochabend in der Agrar-Arbeitsgruppe abgezeichnet. Deren Vorsitzender, der schwedische Landwirtschaftsminister Hellström, hatte nach bilateralen Konsultationen mit den meisten Staaten ein Kompromiß-Papier vorgelegt, das eine jeweils 30prozentige Kürzung der internen Subventionen, der Exportbeihilfen sowie der Marktzugangsbarrieren (Zölle etc.) bis 1995 vorsah. Basisjahr für die Berechnung der Reduktionen sollte 1990 bei den EG-internen Subventionen und Marktzugangsbarrieren sein; für die Exportbeihilfen sollte ein Durchschnitt der Jahre 1988 bis 1990 gelten.

Am späten Mittwochabend lehnte der Rat der EG-Handelsminister dieses Papier als „völlig unakzeptabel“ ab, signalisierte jedoch seine „weitere Verhandlungsbereitschaft“. Der in Brüssel vorliegende EG-Vorschlag sah eine 30prozentige Kürzung der internenen Subventionen auf der Basis des Jahres 1986 vor, was einer de-facto-Reduzierung von lediglich 15 Prozent entsprochen hätte. Bei Exportsubventionen und Marktzugangsbarrieren hatte die EG überhaupt keine Zahl vorgeschlagen. EG-Agrarkommissar Mac Scharry beklagte, daß die seit Mittwoch gezeigten „Signale der Flexibilität“ in dem Papier von Hellström „überhaupt nicht berücksichtigt worden seien“.

Die Länder der Cairns-Gruppe und die meisten Drittweltstaaten hatten Hellströms Papier im Prinzip akzeptiert. Die US-Handelsbeauftragte Carla Hills sowie Vertreter der Cairnsgruppe erklärten allerdings, daß eine Reduzierung der Exportbeihilfen um lediglich 30 Prozent „nicht akzeptabel sei“. Die Cairns-Gruppe und die USA haben 90 Prozent vorgeschlagen, Kanada sogar eine völlige Streichung.

Von den Dritt-Welt-Staaten wurde das Scheitern der Verhandlungen mit eher gemischten Gefühlen kommentiert. Die meisten von ihnen hatten ohnehin befürchtet, im Falle einer Einigung zwischen den großen Handelsmächten EG und USA nach dem Motto „Friß, Vogel, oder stirb“ ein Paket vorgesetzt zu bekommen, in dem ihre Interessen ohnehin nicht berücksichtigt werden würden.

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