„Die steuerliche Entlastung soll alle treffen“

■ Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms über die Niedrigsteuerpläne für Ostdeutschland, die Finanzausstattung in den fünf neuen Ländern und seine Unlust, Bundeswirtschaftsminister zu werden INTERVIEW

Hauptthema der Koalitionsverhandlungen in der kommenden Woche wird das Vorhaben der FDP sein, die ehemalige DDR komplett zum Niedrigsteuergebiet zu machen. Erreicht werden soll dies mit drei Elementen: Die Unternehmenserträge sollen mit höchsten 40 Prozent besteuert werden. Die von den Erträgen unabhängigen Unternehmenssteuern sollen gar nicht erst erhoben werden. Die abhängig Beschäftigten sollen nicht mehr als 40 Prozent Lohn- bzw. Einkommensteuern zahlen.

taz: Wenn die Höchststeuersätze auf 40 Prozent gesenkt werden — fallen dann auch die Eingangssteuersätze entsprechend?

Hermann Otto Solms: Der Tarif, der gleichmäßig ansteigt, soll erhalten bleiben. Der ganze Tarifverlauf muß entsprechend umgestaltet werden. Ob das zwangsläufig mit Veränderungen beim Eingangssteuersatz verbunden ist, ist für uns nicht präzisiert. Aber die Arbeitnehmer sollen entsprechend auch weniger Steuern bezahlen; die Entlastung soll alle treffen.

Bundesfinanzminister Waigel wirft Ihnen vor, das sei nicht finanzierbar, und die CDU sagt, dieses Vorhaben sei ein versteckter Vorgriff auf die Unternehmenssteuerreform.

Zum ersten Vorwurf sage ich: Ich nehme lieber weniger Steuern von getätigten Investitionen und den daraus resultierenden Erträgen als hohe Steuern von keinen Investitionen und Erträgen. Wenn wir nicht den Wirtschaftskreislauf schnell in Gang bekommen, wird das Steueraufkommen dort ohnehin nicht in die Höhe gehen. Wenn wir ihn aber in Gang bekommen, dann steigt auch das Aufkommen überproportional. Wir sollten dann auch in Kauf nehmen, daß es nicht ganz so schnell steigt wie nach dem jetztigen Tarif. Entscheidend ist der Investitionsanreiz. Zweitens: Das Ziel einer grundsätzlichen Reform der Unternehmensbesteuerung wird von der FDP ohne Abstriche aufrechterhalten.

Eine Kritik an der bisherigen Investitionsförderung?

Ja. Ich habe diese Forderung schon vor der Volkskammerwahl erhoben, weil ich weiß, daß die Steuern für viele Investoren gerade aus dem Ausland eine entscheidende Rolle spielen.

Zu den Investitionsanreizen gehören unter anderem infrastrukturelle Vorleistungen, die auch von den Gemeinden zu erbringen sind. Von der Kürzung der Gewerbesteuer werden nun ausgerechnet die Gemeinden getroffen. Wird da das Pferd nicht vom falschen Ende her aufgezäumt?

Wir fordern das Aussetzen der Gewerbekapitalsteuer, also der Steuer auf den Einheitswert des Betriebes, und der Steuer auf das Vermögen des Betriebes. Die Kommunen müssen für den Wegfall dieser Substanzsteuern dann natürlich andere Finanzmittel erhalten.

Kann man da von Entlastung sprechen? Die Gemeinden holen sich die Einnahmeausfälle doch über die Gewerbesteuer-Hebesätze wieder rein.

Nein, das halte ich für ausgeschlossen, weil sie dann überhaupt keine Gewerbeansiedlungen bekommen werden. Das muß aber in die Gesamtverhandlungen der Koalition eingehen und mit einem Ausgleich über andere Steuerarten oder über Zuweisungen verbunden werden.

Das Vorhaben Niedrigsteuergebiet soll nicht mit der heißen Nadel für ein Jahr gestrickt werden, sondern mittelfristig wirken. Sich mit Zuweisungen von Jahr zu Jahr zu hangeln, ist doch eine etwas unglückliche Lösung?

Die Finanzausstattung in den neuen Ländern muß grundsätzlich neu gestaltet werden, denn sie werden für eine Reihe von Jahren keine nennenswerten Einnahmen aus der Gewerbesteuer erzielen können. Und dann müssen Sie bedenken: Grundlage für die Erhebung der Substanzsteuern ist die Einheitsbewertung des Vermögens, und die gibt es in den fünf neuen Ländern noch nicht. Fragen sie mal jemanden aus der Finanzverwaltung, was es heißt, das gesamte Grundvermögen neu zu bewerten. Das ist ein abenteuerlicher Aufwand, für den die notwendigen Fachkräfte gar nicht vorhanden sind. Das würde Jahre dauern.

Die Bundesregierung will die Unternehmenssteuern reformieren. Soll der Wegfall der einheitswertabhängigen Steuern ein Präjudiz sein?

Nicht zwangsläufig. Wenn wir die Einheitswerte grundsätzlich nicht mehr haben wollen, müssen wir uns natürlich über eine anderweitige Bewertung Gedanken machen. Ich glaube aber nicht, daß das Niedrigsteuervorhaben mit der Unternehmenssteuerreform kollidieren wird. Die Argumente für die Aussetzung der Substanzsteuern sind kaum zu widerlegen. Daß bei den Ertragssteuern eine so radikale Senkung auf Gegenargumente trifft, die nicht so ohne weiteres wegzuwischen sind, ist klar.

Steuerflucht?

Ja, wir müssen die Steuern an die Aktivität anknüpfen und nicht an den Sitz; bei Firmen also an die Betriebsstätten.

Werden dann nicht Arbeitnehmer in großem Umfang ihren Wohnsitz in den fünf neuen Ländern anmelden?

Wenn dort drakonische Strafen drohen, werden sie sich schon vorsehen.

Aber die Finanzämter in den neuen Ländern haben doch besseres zu tun, als ausgerechnet das zu prüfen!

Einen gewissen Mißbrauchseffekt können Sie nie ausschließen.

Herr Solms, Sie stehen für das Amt des Bundeswirtschaftsministers zur Verfügung?

Mein persönlicher Vorrang gilt weiterhin der Arbeit in der Fraktion.

Und wenn Sie gebeten würden?

Wenn die Partei dies als die einzig denkbare Lösung sieht, könnte ich mich dem Wunsch nicht verschließen. Interview: Dietmar Bartz