„Ich will, daß Engholm es macht!“

■ Die SPD-Frauen verzichten „freiwillig“ auf den Parteivorsitz/ Engholm soll ihrer Meinung nach das Amt übernehmen/ Der will schon — aber auf keinen Fall auf den Job als Ministerpräsident verzichten

Bonn (taz) — „Immer, wenn es stinkt, kracht und raucht, sind die Frauen gerade recht“, sagt die zukünftige Vorsitzende der bayerischen SPD, Renate Schmidt. Im Bundesvorstand zu Bonn war sie als mögliche Nachfolgerin für den Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel im Gespräch. Renate Schmidt lehnte dankend ab: „Ich will, daß Björn Engholm es macht.“ Renate Schmidt berichtet, auch Heidi Wieczorek-Zeul und Herta Däubler-Gmelin sollen freiwillig verzichtet haben. Damit ist die Diskussion, ob nicht auch eine Frau Parteivorsitzende werden könne, wohl beendet.

Björn Engholm hat unterdessen so gut wie zugesagt. Er will für das Tagesgeschäft in Bonn einen Generalsekretär an die Seite bekommen. Gerd Walter, der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende, soll es sein. Zur Zeit laufen zwischen der SPD-Zentrale in Bonn und den Landesverbänden die Telefone heiß. Es wird abgecheckt, ob die Landesfürsten Engholm als Vorsitzenden akzeptieren.

Spannend ist jetzt, wie Engholm den Spagat zwischen Bonn und Kiel hinbekommen will. Auf seinen Job als Ministerpräsident — das machte er bereits klar — will er nicht verzichten. Mit einer guten Crew in Bonn, die ihm einen Teil der Arbeit abnimmt, könnte er es schaffen. Auch Willy Brandt hatte von 1969 bis 1974 gleichzeitig das Amt des Bundeskanzlers und das des Parteivorsitzenden inne. Trotzdem war er — wie Engholm — keiner, der sich von der Arbeit aufreiben ließ.

Hans-Jochen Vogel hat unterdessen eine Art Stellenausschreibung für seinen Wunschkandidaten ausgegegeben. „Jünger“ soll er sein, aber „Lebenserfahrung“ haben und vor allem „integrieren können“. Dies wird in Bonn als nachträglicher Rüffel für den kompromißlosen Oskar Lafontaine gedeutet. Die Ereignisse vom Beginn dieser Woche haben gezeigt, wie tief das Zerwürfnis zwischen Vogel und Lafontaine war. Mitglieder der Parteispitze machen inzwischen kein Hehl mehr daraus, daß die Partei seit langem in einer tiefen Führungskrise steckt. Vogel und Lafontaine sollen seit Monaten nicht mehr miteinander geredet haben. Auch das Verhältnis zwischen Vogel, Rau und Däubler-Gmelin ist angespannt. Dennoch werden sie sich auf der Präsidiumssitzung am Montag wohl auf Engholm als Kandidaten einigen.

Ein britischer Kollege, der für die BBC über die SPD berichtet, kann die Aufregungen der vergangenen Tage nicht ganz verstehen. Warum der künftige Vorsitzende jetzt schon ausgeguckt werden müsse, fragt er. „Warum können nicht mehrere kandidieren, und wer auf dem Parteitag die meisten Stimmen bekommt, ist gewählt?“ Nein, die SPD ist eine ordentliche Partei. Da wird der Vorsitzende mit 99 Prozent gewählt. Basta cosi. Tina Stadlmayer