NEULICH ...
: ... beim Chinesen

■ Deutschland aus Froschschenkelperspektive / Geschichten vom Hörensehen, die 13.

Beim Chinesen sitzen selten drei Chinesen. Neulich saßen beim Chinesen fünf Deutsche. Nichts besonderes, wenn es sich nicht um fünf deutsch-deutsche Männer gehandelt hätte: ein Ex-Wessi und vier Hopp-Ossis. Die Tischordnung war mustergültig: Der Wessi lehnte geborgen am Kopfanfang, die Ossis rutschten an den Seiten vor und zurück, von jedem Rollenfach einer: ein Klatschnaßforscher, ein souverän Abwartender, ein vertrauensvoll Hilfloser, ein vollkommen Verdatterter.

Tja, meine Herren. „Tja, meine Herren“, eröffnet jovial der Wessi und winkt den Speisekarten, „dann feiern wir das Ganze mal so richtig“. Die vier nicken gehorsam und fahren mit den vier Zeigefingern die Speisenfolge entlang — oje, oje, oje: Nasi, Bami, Goreng. Alleskenner Wessi beugt sich zu diesem, zu jenem: Probieren Sie das mal, versuchen Sie jenes. Aber Glasnudeln?? Ahaaa, was der Bauer...???, ermahnt er neckisch den vertrauensvoll Hilflosen zu seiner Rechten. Der Klatschnaßforsche will mithalten: „Solang mer's mi'm Stäbschen ässen gönn!“ Der vollkommen Verdatterte zuckt und wor noch nie beim Schinäsn. Aber das macht doch nichts! Ananas hat er gern. Muß er süßsauer nehmen. Auja. Der souverän Abwartende riecht am Sojasoßenfläschchen und erhält eine Abmahnung. Der am Kopf zieht sein Jackett aus, um sich besser überall rüberbeugen zu können. Aber beim Bier gibt's schon keine Probleme mehr. Tja, meine Herren. „Tja, meine Herren! War doch ein erfolgreicher Tag für Sie heute, was!!?“ Hach ja, alle vier nicken und versuchen, sich zurückzulehnen: Da wär' jetzt auch nur noch eine klitze Kleinigkeit. Na, nur raus mit der Sprache! „Naja“, der Klatschnaßforsche wird ganz trocken, „wo man doch jetzt angestellt sei, da hätte man doch auch, naja, ein Anrecht auf, äh, Dienstwagen?“ Alle rutschen wieder vor. Aber selbstverständlich hat man ein Recht auf Dienstwagen, müssen ja demnächst dienstfahren, nicht wahr, brauchen sie bloß zu sagen. Na, sie sagen's ja grade. Na prima, dann kommt das auch. Und was die Probezeiten... Wie: Probezeiten? Na, das steht doch in ihren Verträgen, nicht, das mit der Probezeit, müssen sie mal lesen, aber die besteht man ja, kein Problem. Persönlich wird sich der vom Kopf für sie einsetzen. „Mein Trabbi hat nämlich schon 350 000 Kilometer drauf“, verdichtet der souverän Abwartende. „Aber meine Herren, wir sind doch hier zum Begießen, können Sie das Geschäftliche nicht mal vergessen? Ah, da kommt auch schon das Bier. Prosit, meine Herren!“ Aber das Auto, das Auto... „PROSIT!!“ Claudia Kohlhase