Ostmieter wehren sich gegen Westmakler

■ Die Bewohner der Ostberliner Kollwitzstraße 52 wollen ihr Haus nicht versteigern lassen/ Täglich fahren »dicke Westler« vor, um das Objekt ihrer Begierde zu begutachten/ Der Westberliner Immobilienmakler Plettner will am Dienstag zuschlagen

Prenzlauer Berg. Die Bewohner des Hauses Kollwitzstraße 52 hatten gerade mal zehn Minuten ihre Transparente aus den Fenstern gehängt, da bog auch schon ein Polizeikonvoi um die Ecke. »Sie haben das Haus besetzt?« fragte ein aus dem Wagen springender Beamter und wies auf ein entsprechendes Spruchband an der Fassade. Der Angesprochene bejahte, konnte aber ebenso wie seine Mitbewohner auf einen gültigen Mietvertrag mit der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg verweisen — abgeschlossen schon vor vielen Jahren. Hier, so klärte man den staunenden Beamten auf, handele es sich um eine Mieterbesetzung.

Ausgelöst hatte die Aktion eine Anzeige, die am 25. November in verschiedenen Zeitungen erschien und in der ein Immobilienmakler eben jenes Haus zur Versteigerung anbot.

»Wir waren wie vor den Kopf geschlagen«, berichtet Susanne Rothmaler, die sich wie ihre Mitmieter vor einigen Jahren daran gemacht hatte, ihre Wohnung zu modernisieren und auch das gesamte Haus neu herzurichten.

Bereits im Juli, als kurz nach der Währungsunion abzusehen war, daß die Reprivatiesierungswelle auch vor den Ostberliner Mietshäusern nicht Halt machen würde, beschlossen die Mieter des Hauses Kollwitzstraße 52 alles daranzusetzen, um das Haus, in das sie viel Zeit und Arbeit investiert hatten, vor einem möglichen Zugriff eines ehemaligen Besitzers oder dessen Erben zu schützen und, wenn nötig, es in eigener Regie zu verwalten. Doch die Mitarbeiter der Wohnungsbaugesellschaft winkten ab: Von einem ehemaligen Besitzer des seit 1952 in staatlicher »Zwangsverwaltung« durch die damalige Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) stehenden Gebäudes sei weit und breit nichts zu sehen. Noch am 1. Oktober, so Susanne Rothmaler, habe die Wohnungsbaugesellschaft erklärt, es sei wohl kaum noch damit zu rechnen, daß sich jemand melden würde — zumal die Frist, in der ehemalige Eigentümer ihre Ansprüche geltend machen müssen, zwei Wochen später abgelaufen wäre.

So wiegten sich die Bewohner in Sicherheit — bis zu jener ominösen Anzeige. »Kurz darauf«, so berichtet Susanne Rothmaler weiter, »brach hier ein wahrer Ansturm von potentiellen Interessenten aus. Es war schon richtig erniedrigend, zu erleben, wie die dicken Westler hier mit ihrem Mercedes vorfuhren, Einlaß in die Wohnungen begehrten und uns, die wir das Haus seinerzeit mit so viel Mühe hergerichtet hatte, ansahen wie das lästiges Zubehör, daß sie halt eben mitkaufen müssen.« Als erste Gegenmaßnahme beschlossen die Mieter, ab sofort niemanden mehr ins Haus zu lassen und beraumten für den übernächsten Tag eine Versammlung an. Dann wurde die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg informiert, die von der angesetzten Auktion angeblich nichts wußte.

Zur Hausversammlung erschien dann zur Überraschung der Veranstalter als einer der ersten der Auktionator Hans Peter Plettner. Offensichtlich aufgeschreckt von den Aktivitäten der Hausbewohner, versuchte er, die Mieter zu beruhigen. Das gelang ihm zwar nicht, doch kam er nicht umhin, den Namen der beiden Eigentümer preiszugeben. In der nun noch verbliebenen Zeit, versuchten die Mieter, mit den Eigentümern — eine Erbengemeinschaft aus Charlottenburg — direkt Kontakt aufzunehmen. Bisher umsonst. Die beiden Hausbesitzer waren offensichtlich von den Hypotheken, die auf dem Grundstück lasten, abgeschreckt — über 200.000 DM — und wollten das Haus so schnell wie möglich losschlagen.

»Die Eile«, so stellt Susanne Rothmaler fest, »mit der die Versteigerung vonstatten gehen soll, ist eine eindeutige Benachteiligung der ostdeutschen Mieter. Wo sollen wir so schnell das nötige Geld auftreiben? Immerhin kann dieses Gebäude bei einer Versteigerung bis zu 1,5 Millionen Mark bringen.« Auch glaubt sie nicht, daß es rechtens ist, daß Haus schon zu verkaufen, obwohl es noch bis Ende des Jahres von der Wohnungsbaugesellschaft »zwangsverwaltet« wird. Deshalb erwägt man in der Kollwitzstraße 52 jetzt, die für Dienstag angesetzte Versteigerung mittels einer einstweiligen Verfügung erst einmal aussetzen zu lassen. Olaf Kampmann