Kanzlerbär im Bummiland

■ Über den Versuch des West-'Bussi-Bär‘, sich als 'Bummi‘-Trittbrettfahrer in die FNL-Kinderzimmer einzuschleichen

Seit 33 Jahren lesen die DDR-Kinder ihren 'Bummi‘. Doch nun droht dem Bilderheft aus dem Verlag »Junge Welt« die westliche Hochglanzkonkurrenz, der »Bussi- Bär«. Wird 'Bussi-Bär‘ den neuen Markt erobern?

Die ehemalige Grenze der beiden ehemaligen Staaten unterscheidet nicht nur die Löhne (im Westen zwei- bis dreimal so hoch), die Mietpreise (im Westen sieben- bis zehnmal so hoch), Aura oder Luft (Braunkohle, Zweitaktergestank), die sich in Berlin oder anderen ehemaligen Randprovinzen immer schon gemischt hat, sondern auch die schriftlichen (und mündlichen) Äußerungen und die sie begleitenden Bilder. Viele der ehemaligen DDR-Zeitungen und -Zeitschriften sind geblieben. Einige versuchen allein, mit alter Belegschaft und altem Layout ihrem Ende entgegenzudämmern, andere wollen in Marktlücken überwintern, wieder andere haben Westpartner gefunden, noch andere sind in westlicher Gemeinschaftsproduktion mit gewendeten Ostschreibern für den Osten neu entstanden.

Noch strahlt das Kioskprogramm Ost in begeisternder Vielfalt, doch vielen Illustrierten und Zeitungen östlicher Prägung droht über kurz oder lang der Garaus.

Seit 33 Jahren bunt und freundlich

Der Verlag »Junge Welt« begleitet den jungen Menschen mit insgesamt vier Zeitschriften ins Erwachsenwerden. 'Bummi‘ führt und leitet Kinder ab drei Jahren bis zum Schulbeginn, dann übernimmt 'ABC‘ um an 'FröSi‘ und 'Trommel‘ weiterzugeben. 'Bummi‘ ist mit 250.000 verkauften Exemplaren die Zeitschrift »mit der besten Auflage und mit dem höchsten Gewinn«. Der freundliche Bär ist sozusagen das Flaggschiff des Verlages.

'Bummi‘ ist seit 33 Jahren ein buntes und freundliches »Bilderheft« mit »Beilage für Eltern«. Auf 20 Seiten, mit Bastelbogen und »klitzekleinem Märchenbuch« kämpft der kuschlige Bär gegen Tierquälerei (»Ich beobachte Tiere, kenne viele und quäle keines«), Erkältungen (»Nach dem Baden turne ich mich warm, damit ich mich nicht erkälte«), und ist für: Freundschaft (»Ich bin ein Freund für jemand«), Gesundheit (»Ich erhole mich, ruhe mittags, damit ich ein gesundes Schulkind werde«), Familie: (»Sie klatschen in die Hand: Wir beide sind verwandt«) und vor allem Freude (»Ich freue mich und freue und freue mich!«).

Wie im Sandmännchen gibt es viele schöne und lehrreiche Geschichten mit Elefanten, Hummeln, Ziegenböcken, Küken. »Bummi ist dein Freund«, sagt 'Bummi‘ und auch die hellblauen Seiten für die »Bärcheneltern« stehen »im Zeichen des Lächelns«. Dort finden sich Tips für den Kindergeburtstag und Leserbriefe. Besonders stolz ist man bei 'Bummi‘ auf die »Kindersonnenkreisseite, diese Hoffnungsstrahlseite für behinderte oder kranke Kinder und auch für die, die ihnen im Leben begegnen«. ('Bummi‘-Reklame) Hier werden Freundschaften und Kontakte zwischen behinderten und gesunden Kindern und ihren Eltern vermittelt. Manche Eltern bieten hier ihre Dienste an: Frau Simone Maß aus Schwerin »kann etwas zeichnen, schneidern, basteln und auch aufmuntern. Am liebsten würde ich eine Mutti-Partei gründen, die sich überall für Kinder einsetzt.«

»Alles wird von profilierten Malern ins Bild gesetzt und soll Freude, Herzlichkeit und Harmonie hervorrufen. Bummi, der Freund aller Kinder, möchte für Güte, Gerechtigkeit, Liebe und gutes Miteinander werben!«

Die Auflage ist zwar etwas zurückgegangen — schuld daran sind der gestiegene Preis (früher 25 Pfennige, jetzt 1.45 DM), die Wende (man steht nicht mehr konkurrenzlos da) und die neue Hast in den neuen Bundesländern. Doch »Bummi, der Freund aller Kinder, möchte es gerne bleiben« und wirbt mit großem Engagement bei seinen kleinen Freunden um neue AbonnentInnen: »Kinder! Bitte helft Bummi!« steht unter einem Brief, den die Redaktion an einen Teil der AbonnentInnen verschickte.

Trotz dieses Hilferufs blickt 'Bummi‘ optimistisch in die Zukunft. Mit einem neuen Blattkonzept sucht man neue Leser zu gewinnen. »Wir sind großer Hoffnung, daß die Eltern und ihre Kinder den neuen 'Bummi‘ annehmen. Er sieht dem alten sehr ähnlich und ist doch frischer und lebendiger geworden.« 'Bummi‘ hat sich viel vorgenommen; ab 1.Januar wird das Heft doppelt so dick sein, ein handlicheres Format bekommen, man wird auf Altbewährtes setzen, aber auch mit Neuem, einer Sandmännchenseite z.B., um die der Fernsehsandmann mit seinen verschiedenen Fahrzeugen fährt, aufwarten. Kurz: »Das Heft wird ein Schatz sein, eine kleine Kostbarkeit, die man den ganzen Monat wieder hervorholt.«

Alles könnte eigentlich schön sein im Bummiland; kreativ, phantasievoll und freundlich, wenn da nicht der böse 'Bussi-Bär‘ wäre. Denn mit der Vereinigung kam auch der kleine Bruder des freßsüchtigen Bundeskanzlers. 'Bummi‘-AbonnentInnen erlebten vor ein paar Wochen eine böse Überraschung: Ihrem geliebten Bilderheft war eine Werbeausgabe der westdeutschen Kinderzeitschrift beigelegt.

Viele beklagten sich. »Wir haben eine Menge Briefe bekommen, auch Anrufe von Lesern, die uns voller Entsetzen gefragt haben, was wir uns dabei gedacht hätten, diesen 'Bussi- Bär‘ mitzuschicken«, erzählt Sabine Drachsel, 'Bummi‘-Chefredakteurin, in ihrem sehr gemütlichen Büro, einer Oase in den endlosen Gängen des Verlags »Junge Welt«. »Was wir uns dabei gedacht hätten, die Adressen rauszugeben, ob wir jetzt gar nicht mehr erscheinen würden und ob es jetzt nur noch 'Bussi-Bär‘ gäbe. Wir haben jedem einzelnen geantwortet und versucht zu erklären, was eigentlich gar nicht erklärbar ist, weil es so bescheuert ist.«

Genaueres weiß sie auch nicht, denn die Beilage wurde noch vor ihrer Chefredakteurinnenzeit vereinbart. Ihre Vorgängerin, Ursula Werner-Böhnke, die das Blatt 32 Jahre lang geleitet hatte, hätte dagegen protestiert, meinen die einen, die Redaktion sei gar nicht informiert worden, berichten die anderen.

Geschäftsführer Wolfgang Titze hatte sich mit dieser Aktion jedenfalls, wie so viele andere gewendete Leiter, die bunt prahlende, lieblose Hochglanzkonkurrenz ins Haus geholt.

Die lieblose Hochglanzkonkurrenz

Rolf Kaukas 'Bussi-Bär‘ hat eine Auflage von 400.000 Exemplaren. Der einzelne Name täuscht mittelständisches Zeichnertum vor. In Wirklichkeit verbirgt sich jedoch hinter dem Heftchen — via »Verlagsunion Erich Pabel-Arthur Moewig GmbH« — der Verlagsmulti Heinrich Bauer. Und wo sich unbedarfte Eltern einen kauzigen alten Herrn vorstellen, der pädagogische Heftchen für fröhliche Kinder herstellt, sitzt ein Programmiererteam am Grafikcomputer, vermutet zumindest 'Bummi‘-Chefredakteurin Drachsel. Stereotyp hochglänzende Bussis scheinen ihr mit großen Augen Recht zu geben.

Auf der Titelseite wirbt 'Bussi- Bär‘ mit einem besonders beeindruckenden Stempel dafür, die »erste wissenschaftlich empfohlene Spiel- und Vorschule« zu sein. Das beeindruckte viele verantwortungsvolle Muttis, nicht wenige besorgte Papis und auch die Kindergärtner nicht nur in den alten Ländern. »Wissenschaftlich empfohlene Spiel- und Vorschule« — das klingt fast noch besser als etwa »Benno-Martiny-Medaille«, mit der die Aldi-Markt-Lebensmittel ausgezeichnet sind. Schade nur, daß solche Stempel in keinster Weise geschützt sind, d.h. im Grunde genommen nichts bedeuten. Das wird zwar gekränkt und lebhaft von 'Bussi- Bär‘-Chefredakteur H.-J. Weller bestritten — es seien immerhin lange Doktorarbeiten über 'Bussi-Bär‘ geschrieben worden —, doch Doktorarbeiten gibt es nicht nur über 'Bussi Bär‘, sondern auch über Perry Rhodan, Jerry Cotton, Hardcore-Splatter-Pornos, Pommes Frites oder Barbiepuppen und ihren Einfluß auf die kindliche Seele.

In der ehemaligen DDR — pardon, in den FNL (»Was meinen Sie — ach, Sie meinen das Gebiet der fünf neuen Länder« — Weller am Telefon) — scheint man dem Etikettenschwindel jedenfalls aufgesessen zu sein: Kindergärten in Wismar, Cottbus oder Wolfen-Nord, die zuvor »Stalin oder so« (Weller) hießen, hätten angefragt, ob sie sich denn auch 'Bussi-Bär‘ nennen dürften. Man gestattete es großzügigerweise...

Einer der Hits »für Kinder von 3-8« wird schon auf dem Titelblatt angekündigt: »99 Duplo-Kästen« nämlich sind im Inneren zu gewinnen. 21 von 52 Seiten der wissenschaftlich empfohlenen Vorschule, bestehen aus Reklame, wobei drei Seiten Abonnenten- und Eigenwerbung nicht mitgerechnet sind. Von 21 Reklameseiten sind 16 Seiten eine als Geschichte getarnte Schleichwerbung für »Play-Mobil«. Andere Werbemaßnahmen sind als diffuseres »product placement« eingebaut. So schmiert sich Bussi-Bär »fettarmen Käse« auf sein »Mehrkornbrot«, damit Mama beim nächsten Einkauf auch daran denkt, nur Mehrkornbrot und fettarmen Käse zu kaufen. Potentielle Anzeigenkunden wie »Gervais« werden sich über ein solches Entgegenkommen freuen. Einige Worte in 'Bussi-Bär‘ sind rasend künstlich, wenn z.B. (wie auch in 'Fix & Foxi‘ inzwischen) von »schadstoffabstoßenden Fabriken« die Rede ist. Und der Wald stirbt hier nicht etwa aufgrund der Umweltverschmutzung der Fabriken oder — das war auch nicht zu erwarten — wegen Autoabgasen, sondern weil böse Männer mit »scharfen vernichtenden Sägen« kommen. Da hilft der Bürgermeister, wenn man ihm ein Bildchen malt. Da kann auch der Bundeskanzler unterschreiben.

Sabine Drachsel kritisiert andere Worte wie »super«, »toll«, und solche Sachen wie »total geschafft«. Es handele sich dabei um phantasietötende Schlagworte. »Das ist so ein Vokabular, was wir eigentlich nicht gebrauchen. Solche komischen Überhöhungen.«

Zur Werbebeilage bei 'Bummi‘ meint H-J. Weller ganz blauäugig, daß es sich ja schließlich um einen Austausch gehandelt habe, denn als Gegengabe hätte ja auch 'Bummi‘ bei 'Bussi-Bär‘ geworben. So kostete dem Bauer-Verlag seine perfide Osteroberungskampagne keinen Pfennig.

In einem großen Haus wird viel geredet

Gerüchte im Verlag »Junge Welt« wollten schon von einer Fusionierung von 'Bummi‘ und 'Bussi-Bär wissen. Frau Drachsel findet solche Überlegungen — wenn sie denn zuträfen — »eigentlich unmöglich, denn wir haben ein ganz anderes Anliegen als 'Bussi-Bär‘. In so einem großen Haus wird jedoch auch ungeheuer viel geredet. Vorhin kam jemand in die Redaktion und erzählte, wir würden jetzt alle eine Tochter von Bauer werden.«

Und so läßt sich weidlich weiterspekulieren: Hat man in der Geschäftsführung 'Bussi-Bär‘ gestattet, sich bei 'Bummi‘ einzuschmuggeln, um den Bauer-Verlag und seine Tochtergesellschaft Pabel-Moewig wegen anstehenden Verhandlungen um eine Fusionierung milde zu stimmen? Will man in der Geschäftsleitung die eigene Zeitung kaputtmachen, damit 'Bussi-Bär‘ nach Ungarn, Schweiz, Spanien, Italien, Portugal, Frankreich, Niederlande und Österreich und Griechenland sich nun auch in den neuen Bundesländern ungehindert und konkurrenzlos ausbreiten kann? Ist man schlicht zu naiv?

Ein Blick ins Impressum einer anderen »Junge-Welt«-Publikation läßt vermuten, daß der Bauer-Verlag zumindest schon ein Bein im Verlagshaus an der Mauerstraße hat — die Jugendzeitschrift 'Neues Leben‘, wird inzwischen von der »Verlagsunion Pabel-Arthur Moewig«, einer Bauertochter, vertrieben. Etwas zum Stand der Verhandlungen hätte sicher Junge-Welt-GmbH-Geschäftsführer Wolfgang Titze sagen können. Doch der ehemalige Chefredakteur des 'Neuen Lebens‘ ist sehr beschäftigt, so beschäftigt, daß er einen vereinbarten Gesprächstermin platzen ließ und immer gerade dann, wenn man anruft, in äußerst wichtigen Geschäftsverhandlungen steckt.

Derweil können Sabine Drachsel und ihre KollegInnen »nur hoffen. Nicht für mich und meinen Arbeitsplatz, sondern für die Kinder.« Detlef Kuhlbodt