Jetzt dürfen wir uns wieder selbst vertreten

■ betr.: Grüner Nichteinzug in den Bundestag beziehungssweise Kommentare in der taz vom 4.12.90

betr.: Grüner Nichteinzug in den Bundestag beziehungsweise Kommentare in der taz vom 4.12.90

Mit dem Nichteinzug der West-Grünen in den Bundestag wird weniger Staatsknete über zum Beispiel Ökofonds in alternative Projekte fließen. Das ist wohl zu bedauern.

Auch die Hoffnung auf alternative Karrieren scheint auf Sand gebaut zu sein (wissenschaftliche MitarbeiterInnen und grüne BerufspolitikerInnen müssen an die Basis zurück. Das finde ich eher positiv!). Wir sind alle ExpertInnen, nicht nur die mit der formalen akademischen Qualifikation. Menschen in den sozialen Bewegungen müssen sich wieder daran gewöhnen, sich selbst zu vertreten!

Am 24.11. waren nur ca. 6.500 Menschen auf der Anti-Golfkrieg- Demo in Bonn. Die anderen sollten sich vielleicht einmal überlegen, ob sie nicht den Fehler von 1983 wiederholen, sich nämlich auf das Wählen zu verlassen, vorwiegend Grüne und SPD. Als 1983 die Mittelstreckenraketen nach einem Bundestagsbeschluß aufgestellt wurden, haben sich zu viele Menschen auf die nächste Wahl und Rot-Grün verlassen. Aber selbst wenn es je Rot-Grün auf Bundesebene geben sollte, nicht zuletzt die jüngsten Enthüllungen über geheime Nato-Truppen sollten Warnung genug sein vor der Illusion, daß Wählen allein reicht ohne gleichzeitig eine aktive Massenbasis aufbieten zu können. [...]

Mir ist es auch nicht schade darum, daß ehrenwerte Menschen wie Petra Kelly nicht aufgestellt wurden, denn lieber als eine Petra Kelly im Bundestag wären mir Zehntausende Petra Kellys im aktiven gewaltfreien Widerstand gegen Klimakatastrophe und Golfkrieg.

Die Grünen im Bundestag hätten demokratische Freiräume verteidigen oder gar erweitern können (siehe Verfassungsdebatte), ohne Menschen, die diese Freiräume auch aktiv einnehmen wollen, wäre das aber nutzlos.

Anstatt jetzt noch mehr grüne BerufspolitikerInnen zu fordern, sollten wir uns erinnern, daß wir eigentlich alle Politik machen können und uns auch niemand unsere Verantwortung abnehmen kann. Da aber noch zu viele die Illusion haben, Grün wählen reiche, würde ich sagen, der grüne Nichteinzug in den Bundestag kann ein Geschenk sein. Jetzt dürfen wir uns nämlich wieder selbst vertreten. Tun wir's! Hubert Gieschen, Wildeshausen