„Alles ist hier anders“

■ Siegfried Köhler ist der Sprung vom DDR- zum deutschen Auswahltrainer der Volleyballerinnen gelungen INTERVIEW

Wenn sich zum Jahresanfang die besten Volleyballerinnen der Welt wieder beim Nationenturnier in Bremen treffen, kennen sich viele bereits seit Jahren. Der Turnierzirkus wandert ständig von einem Ort zum anderen, „same procedure as every year“.

Und doch ist diesmal, vom 2. bis 6.1. 1991, ist (fast) alles anders, jedenfalls aus bundesdeutscher Sicht. Nach nur einem Jahr als Bundestrainer ist Mathias Eichinger zurückgetreten, und sein Nachfolger ist eben genau der alte Haudegen, Bezwinger bundesdeutscher Frauschaften und Sprechblasenkünstler früherer Pressekonferenzen, Siegfried Köhler.

Der ehemalige DDR-Frauen- Coach ist übergangslos aus der sportlichen Konkursmasse der fünf neuen Länder in den gesamtdeutschen Volleyballbetrieb übernommen worden. Jetzt hatte er seinen ersten Auftritt.

taz: Herr Köhler, sehr lange sind Sie ja noch nicht BRD-Nationaltrainer. Wie fühlen Sie sich?

Siegfried Köhler: Nun ja, das ging politisch alles so rasant und schnell, da hatte man kaum Zeit, sich richtig einzustellen. Aber jetzt habe ich eine vereinigte deutsche Mannschaft, und da heißt es bei mir nicht, das ist die Ex-DDR-Mannschaft, und dazu kommt die BRD-Auswahl. Ich habe jetzt Spielerinnen aus Leipzig, Münster oder Lohhof zusammen.

Aber mal ehrlich, so leicht können doch auch Sie nicht Hammer und Zirkel abschütteln?

Ich sagte ja schon: Zwanzig, dreißig Jahre kann auch ich nicht so einfach ablegen. Dazu war ich doch viel zu sehr mit dem System verbunden. Ich war zwar oft mit meinen Mannschaften im Westen, aber wie sich das hier genau in der Praxis darstellt, das wußte ich dann auch nicht so genau.

Was ist denn nun so anders?

In der DDR ging alles viel einfacher. Da brauchte ich eine bestimmte Spielerin in Berlin, und dann kam sie. Es war egal, was die gerade in Dresden oder sonstwo zu tun hatte. Das ging aus der ganzen Republik so. Jetzt ist das alles viel schwieriger. Hier haben Schule, Uni oder der Beruf Vorrang, da kann ich nicht so wie ich will.

Haben Sie noch mehr gelernt?

Ja, die Organisation von Sportvereinen. Das war dann doch neu für mich, Management, Führungsstil und Promotion. Ich bin für diese Saison bei Bayern Lohhof unter Vertrag, da kann ich eine Menge lernen.

Konnten Sie denn wenigstens einige positive Aspekte ihrer früheren Tätigkeit beim nunmehr vereinigten Volleyball-Verband einbringen?

Das ist sehr schwierig. Früher, in der DDR, da hatten wir zum Beispiel sechs Kotrainer pro Team. Alles hochqualifizierte Leute und mit sicherem Einkommen. Jetzt, in Lohhof, haben wir dafür eine Halbtagskraft. Begreifen Sie das mal. Auch der Trainingsumfang ist um etwa zehn Wochenstunden geringer. Summieren Sie das aufs Jahr gerechnet, dann kommt da eine Menge heraus.

Mit leeren Händen sind Sie aber nicht gekommen?

Ich habe immer noch meinen langjährigen Spielbeobachter dabei, und auch der Arzt, der Physiotherapeut und der Psychologe sind dieselben. Dieses Kollektiv, nein, jetzt heißt es ja Leitungsgremium, ist noch zusammen.

Wie wollen sie aber die Nachteile kompensieren? Den Erwartungsdruck spüren Sie doch schon jetzt.

Das wird schwer, sehr schwer, aber wir schaffen das schon. Fragen Sie mich lieber in einem halben Jahr, dann kann ich darüber genauer Auskunft geben. Ich muß erst in Ruhe arbeiten können. Mehr ist im Augenblick einfach nicht drin. Jürgen Francke

Ergebnisse vom Volleyball-Europapokal der Frauen:

Landesmeister: Xative (Spanien) — Feuerbach 1:3; Sneek (Niederlande) — 1.SC Berlin 3:2 (Feuerbach weiter, Berlin raus).

Pokalsieger: Schwerin — Dinamo Bukarest 1:3; Luzern — Lohhof 1:3 (Schwerin raus, Lohhof weiter).

CEV-Pokal: Schwerte — Reggio Emilia 2:3 ; St. Raphael (Frankreich) — Münster 2:3 (Schwerte raus, Münster weiter).