Funktionäre zum Clinch in den Seilen

2.300 Zuschauer sahen den unvermeidlich allerletzten deutsch-deutschen Boxabend der Amateure Die westdeutsche Staffel siegte dank ihrer polnischen, türkischen und ostdeutschen „Überläufer“  ■ Aus Bochum Torsten Haselbauer

Auf, auf zum ultimativ letzten Kampf als DDR-Staffel, hieß es für die Boxbrüder aus dem Osten am Freitag abend in der Bochumer Ruhrlandhalle. Die Faustkämpfer aus den neuen Bundesländern zeigten sich denn auch dementsprechend unsicher und verhalten, als sie gegen ihre zukünftigen Trainingskameraden aus dem Westen in den Ring klettern mußten. Das gängige Klischee nahezu aller Wiedervereinigungskämpfe wiederholte sich also auch in Bochum. Immer wieder wurden die kräftigen Arme der Westathleten vom Ringrichter zum Zeichen des Sieges in die Höhe gereckt, derweil schlichen die Ostkämpfer geschlagen in ihre rote Ecke.

Was als Revanchefight für die Rostocker Niederlage von 1987 geplant war, als die Weststaffel im Kampf gegen die DDR mit 4:16 regelrecht verhauen wurde, fand im sportpolitisch ebenso einfallslosen wie unsinnigen Namen „Deutschlandcup“ endlich seine Realisierung, wenn auch unter gänzlich anderen Voraussetzungen.

Denn die wahren und weit spannenderen Auseinandersetzungen wurden nicht im Ring, sondern bereits im Vorfeld der Kämpfe ausgetragen. Die Hauptakteure, die dort im Clinch lagen, waren die Funktionäre, die in aberwitziger Weise um ihre Pfründe kämpften. Ein harter, verbaler Schlagabtausch stand auf der Tagesordnung der Zusammenkunft der alten Boxhaudegen. Kurz vor dem Knock-out befanden sich da plötzlich Trainer und Funktionäre des Deutschen Box-Verbandes (DBV) der ehemaligen DDR.

Ausgerechnet dem langjährigen und erfolgreichen DDR-Coach Günther Debert wurde kurioserweise angedichtet, „nie Kontakt zu den Sportlern gehabt und auch nie am Mann trainiert zu haben“, so jedenfalls wollte es der allmächtige Präsident des Berliner Box-Verbandes (West), Hans-Peter Miesner, schon immer gewußt haben. Und wenn einem wie Miesner gar nichts mehr einfällt, zitiert er gerne andere wie den Ex- DDR-Olympiasieger von 1968, Manfred Wolke. Der beschwor im völligen Rausch seines Bedeutungszuwachses noch einmal die Geister, die Miesner rief. „Ein ganz strammer Stalinist sei der Debert gewesen“, gab der Henry-Maske-Trainer Wolke auf populäre Art zu verstehen.

Der deutsche Boxsport, der sich durch die Fusion vom Ost-DBV mit dem Amateur-Box-Verband West (DABV) einen neuen Anfang erhoffte, hing also schnell wieder in den Seilen. Hintergrund der Anschuldigungen gegen die Ex-DDR- Boxfunktionäre ist die Tatsache, daß auf Grund einer Bonner Zusage über 360.000 D-Mark ab 1. Januar insgesamt fünf hauptamtliche und Honorartrainer aus dem ehemaligen DDR- Gebiet übernommen werden sollen. Ehrgeizige Westtrainer bleiben dann natürlich auf der Strecke.

Angesichts solcher Funktionärsgefechte geriet der eigentliche Boxvergleich zunehmend in den Hintergrund. Um den Athleten nicht völlig den Kampfgeist zu rauben, entschlossen sich schließlich die Funktionäre, das Spektakel in den Rang einer Qualifikation für die im nächsten Jahr stattfindenden Welt- und Europameisterschaften zu erhöhen. Neben den in Aussicht gestellten Auslandsreisen nach Göteborg und Sydney wurden den Kämpfern aus der ehemaligen DDR zusätzlich harte Devisen versprochen. Als Einsatzprämie, also bereits für das Tänzeln auf der Bühne, kassierten die ostdeutschen Faustkämpfer 1.000 D-Mark. Wer den Boxring als Sieger verließ, konnte sich sogar über das Doppelte freuen. Solch großzügige Ausschüttung wurde möglich, weil der DBV noch in diesem Monat seine Kasse plündert.

In den Genuß des Geldes kam aber auf Seiten der Schützlinge von Günther Debert lediglich das Fliegengewicht Daniel Prosch, der Bantamgewichtler Andreas Tews, Andreas Zülow im Weltergewicht und im Schwergewicht Sven Lange. Alle anderen mußten gegen die starken Westkämpfer die Segel streichen.

Bei den ihnen zogen sich erwartungsgemäß Jan Quast, Dariusz Kosedowski, Adnan Özcoban, Bert Schenk, Sven Ottke, Dariusz Michalczewski und Andreas Schnieders erfolgreich aus der Affäre. Woran lag es also, daß die Westboxer die Kämpfe so überlegen für sich entscheiden konnten? Warum sahen die Ostkämpfer so alt aus, obwohl für sie ein hübsches Sümmchen zu holen war?

Eine schöne Antwort weiß Günther Debert: „In Wirklichkeit zählt Geld nicht“, so der Ostcoach. „Beim Kampf Mann gegen Mann wird sich der bessere durchsetzen. Und durch Geld wird man nicht besser. Wohl habe ich schon erlebt, daß Geld den Charakter versaut.“