Anderes Zusammenleben im Lehmhaus

■ In Huntlosen bei Oldenburg soll eine bio-ökologische Mustersiedlung entstehen / Noch BauherrInnen gesucht

“Überall findet heute –Wohnunkultur– statt.“ Rainer Kodalle und Heinz Winkeler sind Architekten, für die Ökologie nicht nur ein bißchen schmückendes Beiwerk sein soll, sondern Dreh- und Angelpunkt für ein Neubau- und Wohnprojekt. Die beiden sind Projektleiter für eine Ökosiedlung, die in den nächsten zwei Jahren in Huntlosen bei Oldenburg entstehen soll.

Schon seit über zehn Jahren baut Kodalle bio-ökologische Häuser, und die Erfahrungen, die er während dieser Zeit gesammelt hat, will er in der Siedlung miteinander kombinieren. 15 Wohneinheiten soll das Dorf umfassen, und entstehen soll es ab Frühjahr 1991 auf einer Industriebrache, dem Grundstück einer ehemaligen Ziegelei. 1992 soll es mit dem Bau losgehen, und bis dahin soll eine weitere Hürde genommen sein.

Denn die gruppendynamischen Prozesse innerhalb der BauherrInnengruppe sind den Architekten mindestens genauso wichtig wie der Bau selbst. Und das braucht Zeit. „Normalerweise baut man sich erst ein Haus und erschrickt beim Einzug über die Nachbarn. Bei unserem Projekt sollen die zukünftigen Nachbarn erst zusammen planen, dann zusammen bauen und schließlich zusammmen leben. Das bedeutet, daß sich die Beteiligten von Beginn an miteinander auseinandersetzen müssen.“

Die Andersartigkeit soll sich unter anderem auch in einer möglichst bunten sozialen Mischung ausdrücken. Kodalle: „Ab fünf Akademikern ist bei mir die Schmerzgrenze erreicht.“ Offen sei das Projekt dagegen auch für eine Behinderten- oder Senioren- WG.

Im einzelnen soll die Siedlung folgendermaßen aussehen: Die 15 Wohneinheiten sollen zu drei hofartigen Hausgruppen arrangiert werden. In deren Zentrum soll ein Gemeinschaftsbereich entstehen, der u.a. einen Kindergarten, eine Hobbywerkstatt, einen Versammlungs- und Lagerraum für eine Foodcoop sowie die gemeinsame Energieversorgung (durch eine Wärmekraftkopplung) umfaßt. Etwa ein Drittel der Heizungsenergie soll durch passive Sonnenenergienutzung, d.h. großflächige Südverglasung der Häuser kombiniert mit Wärmespeichermassen aus Lehm, erzeugt werden.

Komplizierte Solartechniken wollen die Architekten Kodalle und Winkeler nach Möglichkeit vermeiden: „Die Menschen, die in den Häusern leben, sollen allein klarkommen und keine Spezialisten für kleinste Reparaturen benötigen.“

So ist auch für die Abwässer eine unkomplizierte, ökologische Entsorgung vorgesehen: In allen Häusern soll es Komposttoiletten geben, die ohne Wasserspülung und luftdicht abgeschlossen(!) wie Komposthaufen funktionieren. Die restlichen Grauabwässer der Haushalte sollen in zwei Teiche geleitet werden, in denen durch die Wurzeltätigkeit von Binsen und Schilf wieder Trinkwasser entsteht.

Befürchtungen, daß die Öko- Häuser den finanziellen Rahmen von „Normal-Häusern“ übersteigen könnten, haben die beiden Architekten nicht: Hauptsächlich werden nämlich Lehmsteine und Strohleichtlehm als Baustoffe zum Einsatz kommen. Außerdem würde bei der Konstruktion der Häuser berücksichtigt, daß ein großer Teil durch Eigenleistung der BauherrInnen realisiert werden kann.

Für Kodalle ist dieses Experiment auch eine Art Abschluß: „In zwei bis zweieinhalb Jahren, wenn die Aufbauphase des Projekts abgeschlossen sein wird, setze ich mich erstmal ein Jahr in den Himalaya. Mal sehen, ob ich dann noch Lust habe weiterzumachen.“

Yvonne Brodda

Übrigens werden noch weitere BauherrInnen für das Projekt gesucht. Für Interessierte findet am Wochenende 15./16. Dezember 1990 ein zweites Seminar über das Bauprojekt in Huntlosen statt, auf dem u.a. schon über Finanzierungsmöglichkeiten im alternativen Bankbereich diskutiert wird.

Informationen gibt es unter der Telefonnummer 04487/1366.