Wo der Arm der Nabel der Welt ist

In Oberhausen kämpften die stärksten Oberarme der Nation sekundenweise um den Titel des Deutschen Armdrückmeisters: Für Linkshänder ist am Drückmöbel kein Platz  ■ Aus Oberhausen Thomas Meiser

In der Mitte eines Zirkuszeltes bei Oberhausen steht, leicht erhöht und fest fixiert, ein merkwürdiges Möbel auf vier stählernen Beinen. Zwei Meter höher, über dem Möbel, baumelt ein schwarz-rot-güldener Deutschlandlappen.

In stundenlanger Folge treten jeweils zwei Personen des selben Geschlechts mit vergleichbarem Gewicht an den Tisch. Die Paare machen sich am Tisch und aneinander irgendwie zu schaffen. Im Hintergrund läuft nonstop Billy Idol, so zwingend wie sich das Gute Bahn bricht. Um die Bühne mit dem Möbel, da sitzt das Publikum, mehr als eintausend, lässig auf Barhockern sich fletzend. Es schaut zu. Es feuert an. Es klopft Schultern. Breite Schultern. Schultern wie du und ich.

Eine ermutigende Erfahrung: Hier in Oberhausen gibt es noch den selbstbestimmten Sonntag abend. Hier verzichten Menschen aus freien Stücken auf die Rezeption der Lindenstraße, zahlen sogar noch acht Deutschmark Eintritt — um aktiv Anteil zu nehmen an Karthasis und Rekreation der Aktiven während der hier auszutragenden deutschen Meisterschaft im Armdrücken.

Wenn sich auch auf den ersten und den zweiten Blick oder dritten Blick hier wenig tut, 125 TeilnehmerInnen freuen sich auf ihren Druck. Zusammengesucht hat das riesige StarterInnenfeld der „erste Oberhauser Armwrestlingclub, der einzige weit und breit in Nordrhein-Westfalen“.

Die Meisterschaft ist eine ewige Modifikation des einen Bildes. Unwesentliche Unterschiede, kaum wahrnehmbare Kontraste. „Es werden aufgerufen A und B.“ A im T-Shirt, aber ohne Brille, und B ohne Brille, dafür aber im T-Shirt, treten vor das Armdrückmöbel. Jeder reibt sich seine Hände mit einem kindskopfgroßen Magnesiaklumpen ein. Zwei Schiedsrichter im schwarz- weißen Hemd und sogar mit Brille führen ihnen zunächst noch die rechte Hand, plazieren das Sportgerät Arm den Regularien entsprechend auf dem Drückmöbel.

Das Möbel ist nur für rechte Arme geeignet. Linksabweichler haben bei Armdruckmeisterschaften ebenso wenig Chancen wie bei den nordrhein-westfälischen Grünen. Zunächst hakeln beide Drücker mit ihren Daumen, dann umklammern sie mit den Fingern die Hand des Gegenübers. Die Hände werden zur Doppelfaust, während die Unterarme um den Ellenbogen herum in einer Art Schaumstofftopf deponiert sind. Die linke Faust umklammert jetzt einen Griff, der intensiv an einen Fahrradgriff erinnert.

Gestartet wird ohne Klingel. Breitbeinig an den Tisch gepreßt versuchen die Drücker durch Verbiegen des gegnerischen Handgelenks, den sportlichen Wettstreit für sich zu entscheiden. „Das A und O beim Armwrestling ist der taktische Einsatz des Handgelenks“, erklärt ein Drücker, „mit einem stabilen und beweglichen Handgelenk kann man den Druck des Gegners eleminieren.“ Zusätzliche Kraft, erzeugt durch den unter das Druckmöbel gepreßten rechten Oberschenkel, erhöht den eigenen Druck. Das Ganze dauert nur einen Augenblick, in wenigen Sekunden ist der Kampf vorüber.

Stricken ist auch ziemlich spannend. Man weiß nie, ob eine Masche fällt. Die Masche „Armwrestling“ jedenfalls „ist ein Sport im Aufbau. Wir sind noch reine Amateure. Die SiegerInnen erhalten nur einen Pokal und keine Prämien. Aber schon bald werden wir Sponsoren haben, dann geht es richtig zur Sache“, erklärt einer der Veranstalter, vollkommen überzeugt vom gesetzmäßigen Verlauf der Geschichte.

Recht hat der Mann. Denn wo ein Markt ist, ist auch ein Geschäft. Und mit einem Publikum, das — wie dieses — T-Shirts mit der Aufschrift „Bodybuilding für den Frieden“ ersteht, läßt sich noch jedes Kirmesgeraufe vergolden. Demächst: alles über Froschweithüpfen.