„Ein Stück Wiedergutmachung im Alltag“

Bundesarbeitsminister Blüm und der polnische Sozialminister Kuron haben in Warschau ein Rentenabkommen unterzeichnet  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) und sein polnischer Amtskollege Jacek Kuron haben am Samstag in Warschau zwei Abkommen unterzeichnet, die Arbeitsgenehmigungen für polnische StaatsbürgerInnen in der Bundesrepublik und Rentenzahlung an BezieherInnen im jeweils anderen Land betreffen. Danach bekommen polnische ArbeitnehmerInnen, die eine Rentenberechtigung in der Bundesrepublik durch legale Arbeit erworben haben, ihre Rente künftig in voller Höhe in Polen ausbezahlt. Und PolInnen, die in die BRD auswandern, bringen ihre in der Heimat erworbene Rente mit. Ausbezahlt wird jeweils in der Landeswährung.

Dies ist besonders von Vorteil für all jene polnischen StaatsbürgerInnen, die künftig legal in der Bundesrepublik Arbeit aufnehmen und Beiträge an die Rentenversicherung entrichten. Die Rente, die sie jetzt nach Polen exportieren können, ist nämlich im Vergleich zu polnischen Renten ungleich höher. „Ein Akt der Wiedergutmachung“, sagte Blüm am Wochenende.

Nachteile für AussiedlerInnen

Nachteile haben allerdings jene PolInnen, die ihren Rentenanspruch in die Bundesrepublik mitnehmen wollen: In D-Mark beträgt eine polnische Rente zur Zeit zwischen knapp 100 und 200 D-Mark. Die neue Regelung, die laut Blüm der Praxis entspricht, die mit anderen europäischen Nachbarstaaten vereinbart wurde, würde sich besonders fatal für deutschstämmige AussiedlerInnen auswirken: Der Arzt aus Oberschlesien wird künftig nicht mehr damit rechnen können, daß seine Rente in der Bundesrepublik so bemessen wird, als habe er die ganze Zeit in der Bundesrepublik als Arzt gearbeitet. Er bekäme schlicht das, was ihm nach polnischem Recht zusteht: Das sind derzeit nur rund 150 D-Mark.

Um keine Torschlußpanik in Schlesien und Massenausreisen zu provozieren, bemühte sich Norbert Blüm auch geschwind, zu beschwichtigen: „Wir werden es nicht zulassen, daß Aussiedler einfach in die Sozialhilfe abgedrängt werden, weil ihre aus Polen mitgebrachte Rente nicht reicht.“ Das Abkommen schließe zusätzliche Zahlungen aus der Rentenkasse nicht aus, es regele nur die zwischenstaatliche Praxis. Im übrigen seien nur etwa zwei Prozent der AussiedlerInnen RentnerInnen, alle anderen würden durch Arbeit in der Bundesrepublik nach ihrer Ausreise noch anderweitige Rentenansprüche erarbeiten. Und außerdem würde die neue Regelung erst nach einer Übergangsfrsit von einem halben Jahr in Kraft treten.

Legale Arbeit für PolInnen

Der polnische Sozialminister Kuron bewertete besonders die Vereinbarung über Arbeitsgenehmigungen als Erfolg. 35.175 PolInnen werden 1991 die Möglichkeit haben, im Rahmen von Werkverträgen in der Bundesrepublik zu arbeiten. Dies entspricht knapp jenen Kontingenten, die Polen bereits bisher mit der DDR und der Bundesrepublik vereinbart hatte. Gebunden ist diese Zahl allerdings an eine entsprechende Nachfrage von polnischen Unternehmen in der Bundesrepublik, die in den nächsten Jahren kaum gegeben sein dürfte.

Tatsächlich liberalisiert wurde aber die Praxis für SaisonarbeiterInnen und StudentInnen. Für die SaisonarbeiterInnen werden Arbeitsgenehmigungen (maximal drei Monate lang) nun nicht mehr von bestimmten Branchen (bisher nur Landwirtschaft) abhängig gemacht, ein Kontingent gibt es nicht mehr. Allerdings muß sich künftig jeder bei seinem Arbeitsamt in Polen um einen Saisonarbeitsplatz bewerben. Darüberhinaus können zur beruflichen Weiterbildung jährlich bis zu 1.000 polnische ArbeitsnehmerInnen zwischen 18 und 35 Jahren mit deutschen Sprachkenntnissen in die Bundesrepublik entsandt werden.