Angolas Präsident gegen die Dinosaurier

Angolas Einheitspartei MPLA wendet sich vom Marxismus-Leninismus ab/ Über die Verwirklichung der versprochenen Reformen jedoch herrscht allgemeine Skepsis/ „Die Betonköpfe bleiben, die Menschen haben die Hoffnung aufgegeben“  ■ Aus Luanda Willi Germund

„Die Lage ist schwierig. Aber es ist nicht so, daß der Kongreß bisher nichts erreicht hat“, versuchte Angolas Tageszeitung 'Jornal do Angola‘ die Leser zu überzeugen. Vier Tage konferierten zu dem Zeitpunkt bereits 700 Delegierte und 86 Mitglieder des Zentralkomitees von Angolas Einheitspartei MPLA-Partido do trabalho (Angolanische Volksbefreiungsfront-Arbeiterpartei) in der Hauptstadt Luanda. Doch den versprochenen Reformen der marxistisch-leninistischen Kaderpartei geht es wie dem Mausoleum Netos in Luanda: Ursprünglich sollte das Denkmal für Agostinho Neto, den ersten Präsidenten Angolas nach der Unabhängigkeit im Jahre 1975, schon nach wenigen Jahren fertig werden. Jetzt, zwölf Jahre nach Baubeginn, wird immer noch an der riesigen Betonnadel gewerkelt.

Auch der 3. ordentliche MPLA- Parteitag seit 1975 schien von Anfang an dazu bestimmt, allenfalls Halbfertiges zustande zu bringen. Wenige Tage vor dem Beginn der Konferenz hatte das Zentralkomitee einen weiteren außerordentlichen Kongreß für das kommende Jahr beschlossen, obwohl schon alle Weichen für einen Kurswechsel gestellt schienen. Und die Zeit drängt: Kubas verbleibende 12.000 Soldaten werden Mitte 1991 endgültig abgezogen sein. Auch die Unterstützung der Sowjetunion schwindet. Der Gegner im Busch aber, der Unita-Führer Jonas Savimbi, kämpft weiter und wird weiter von den USA ausgehalten.

Die Unita verstärkte in den letzten Monaten ihre militärischen Aktionen im Norden des Landes. Pünktlich zum Kongreß konnte sie gar erfolgreich die Raffinerie am Stadtrand von Luanda angreifen. In der Hauptstadt funktioniert immer weniger. Die meisten staatlichen Stellen sind in einen dauernden Dämmerzustand verfallen: Luandas Beamte warten auf die neue Linie, die der Parteitag der MPLA festlegen soll.

Dabei hatte Präsident Eduardo dos Santos bei seiner Kongreßeröffnung deutlich mit dem Einparteiensystem marxistisch-leninistischer Prägung abgerechnet: „Eine übermäßig zentralisierte Wirtschaftskontrolle und -verwaltung führte zu einer schwerfälligen und ineffektiven Bürokratie und zur Passivität der Massen.“ Seine Widersacher, die „Dinosaurier“, wie die konservativ- orthodoxen Gegner des technokratisch-modernen Staatsoberhaupts genannt werden, konnte dos Santos aber wieder einmal nicht völlig zur Seite drängen. Er mußte das Zentralkomitee um ein Drittel auf insgesamt 120 Mitglieder ausbauen, um Mehrheitsverhältnisse zu erreichen, mit denen er arbeiten kann.

Um den Dissens bei den Diskussionen zu überpinseln, wurde ursprünglich eingeladenen ausländischen Gästen schließlich gar untersagt, sich während nichtöffentlichen Sitzungen im Kongreßgebäude aufzuhalten — aus Furcht, sie könnten auf den Fluren vom Ungemach in den Delegiertenreihen hören. Parteisprecher Antonio beschränkte sich bei seinen Mitteilungen auf kurze Bemerkungen. „Wir haben das Thema behandelt. Es gab Delegierte, die nicht einverstanden waren.“

Nicht minder lakonisch quittierten Angolaner in den Straßen der Hauptstadt den Kongreßverlauf: „Die gleiche alte Sprache; die Betonköpfe bleiben, die Menschen haben die Hoffnung aufgegeben.“ Dabei waren viele Erwartungen in dos Santos gesetzt worden. Manuel, ein ehemaliger MPLA-Kämpfer, Veteran des Krieges gegen Südafrika und inzwischen aus der Partei ausgetreten: „Die haben nichts verbessert. Alles ist nur schlimmer geworden. Dos Santos aber ist integer.“ Doch scheint der reformwillige Präsident im Filz vergangener Jahre steckenzubleiben. Zwar sprach sich die MPLA für die Einführung eines Mehrparteiensystems und einer gemischten Wirtschaft aus. Wann und wie diese Entscheidungen aber umgesetzt werden ist fraglich. Ein Diplomat: „Die Reformen in Angola beschränken sich weiter auf Ankündigungsniveau. Die Umsetzung der Versprechungen läßt jetzt schon seit einem Jahr auf sich warten.“

Die Angolaner hoffen vor allem auf ein Ende des 15jährigen Krieges zwischen der Regierung und der rechtsgerichteten Unita. Eine friedliche Lösung des Konflikts, der mittlerweile einer halben Million Menschen das Leben gekostet hat, wird freilich in weite Ferne rücken, wenn dos Santos weiter nur langsam mit seinen Reformversuchen vorankommt. Die Hardliner in Luanda wiederum fürchten, daß eine Liberalisierung der Savimbi-Truppe in die Hände spielt.