Prager Bürgerforum marschiert nach rechts

Prag (taz) — Mit einer eindeutigen Mehrheit von 171 zu 14 Stimmen entschieden sich die Funktionäre des tschechischen Bürgerforums (OF) am vergangenen Wochenende für die Umbildung der bisherigen „Bewegung“ in eine „Partei“. Nach den Worten von Václav Klaus, Finanzminister und Vorsitzender der stärksten politischen Gruppierung des Landes, soll diese Partei ihren Platz im politischen Spektrum „rechts von der Mitte“ finden. Das OF wolle keinen dritten Weg, keine Symbiose von Markt und Plan. Es wolle keine sozialistischen Abenteuer, keine Versuche, politische Parteien durch Bürgerbewegungen zu ersetzen. Statt dessen trete das Bürgerforum für eine „moderne bürgerliche Gesellschaft“ ein, in der die „grundlegenden Bausteine der Bürger die Familie, die Gemeinde und der Staat“ sind. Ziel sei das System der Marktwirtschaft mit einer dominierenden Stellung des Privatbesitzes.

Gegen eine Überbewertung dieser Entscheidung sprachen sich diejenigen aus, die bei der Abstimmung unterlagen. Zu ihnen zählt Außenminister Jiri Dienstbier, dem die Delegierten zugleich untersagten, auf der abschließenden Pressekonferenz zu sprechen. Dienstbier bezeichnete die Beratungen als bloßes Arbeitstreffen, über deren Ergebnisse weiter diskutiert werden müßte. Die Vorstellung, innerhalb von drei Wochen aus dem OF eine Volkspartei zu bilden, sei illusorisch.

Die Anhänger einer breiten, strömungsübergreifenden Bürgerbewegung befinden sich inzwischen innerhalb des OF in einer deutlichen Minderheit. Selbst Václav Havel, einer seiner Mitbegründer, hatte gemeint, in den Ländern des ehemaligen „Ostblocks“ sei eine Entwicklung nach rechts „natürlich“. Gewarnt werden müsse jedoch vor einer Glorifizierung der Marktwirtschaft. Genau diese Glorifizierung zeigt sich jedoch auch unter den Mitgliedern des Bürgerforums. Gegen den geplanten Ausschluß der „Linken Alternative“ und der „Obroda“, einer Vereinigung der Reformkommunisten des Prager Frühlings, wird sich kaum eine Stimme erheben. Sabine Herre