Milosevic bleibt Präsident von Serbien

Oppositionsparteien sprechen von Wahlbetrug in Serbien/ Wahlboykott in Kosovo  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in den jugoslawischen Republiken Serbien und Montenegro liegen die Kommunisten beziehungsweise die Sozialisten vorne. In Serbien zeichnet sich nach Auszählung von 100.000 Stimmen ein Wahlsieg für den jetzigen Präsidenten Milosevic ab, auch die in Sozialisten umbenannten Kommunisten haben gute Aussichten, stärkste Partei zu werden. Offensichtlich ist dieses Ergebnis aber keine Überraschung — das Ergebnis der Abstimmung der fast sechs Millionen Wähler in Serbien war von vielen vorausgesehen worden. Die in Belgrad erscheinde Zeitung 'Politika‘ titelte schon gestern, bevor auch nur eine Hochrechnung existierte, ungeniert: „Ein großer Tag für Serbien, überwältigende Mehrheit für Milosevic und seine Sozialisten.“

So ist es kein Wunder, daß der Führer der Oppositionspartei „Serbische Erneuerungsbewegung“, Vuc Drascovic, darauf hinwies, daß die Wahlen von den „Bolschewisten gefälscht wurden“. Auf einer Pressekonferenz listete er auf: Bereits am Freitag und Samstag hätten Genossen heimlich ihre Stimme abgegeben. Dann seien sie aber am Sonntag zum zweiten Mal wählen gegangen. Außerdem habe man Mitglieder seiner Partei bedroht, nur so zu wählen, wie man es „wünsche“. In drei Fällen „sogar mit der Pistole“. Seit April seien keine Sterbeurkunden mehr ausgestellt worden. Die Sozialisten hätten sogar noch Flugblätter in den Wahllokalen ausgeliefert.

In der mehrheitlich von Albanern bewohnten serbischen Provinz Kosovo glich jener Wahlsonntag dem eines friedlichen Generalstreiks. Es waren kaum Menschen auf der Straße, Restaurants blieben geschlossen und in den wenigen Großbetrieben mit Wochenendarbeit ruhten die Maschinen. Ibrahim Rugova, Vorsitzender der größten Partei von Kosovo, dem „Demokratischen Bund“, erklärte gegenüber der taz den Wahlboykott seiner Partei: „Uns interessiert die Autonomie unserer Provinz, und diese wurde bekanntlich im Frühjahr von den serbischen Kommunisten abgebaut. Deshalb boykottieren die Albaner die Wahl. Der Boykott ist ein Zeichen unseres Protestes.“ Tatsächlich wurde der Boykott in den meisten albanischen Dörfern und Städten durchgehalten.

Demgegenüber ist die Wahlbeteiligung in den anderen Teilen Serbiens überaus hoch gewesen. Und auch in Montenegro, wo 400.000 Wähler zu den Urnen gerufen wurden, war die Beteiligung hoch. Dort liegt Momir Bulatovic, der Kandidat der Kommunisten, in Führung und hat Chancen, die absolute Mehrheit zu erreichen. Auch in der Republik Mazedonien ist in 32 der in albanischen Gebieten liegenden Wahlbezirken nachgewählt worden.