Bahn frei für Späths neue Startbahn

Die seit 25 Jahren umstrittene Startbahnverlängerung am Echterdinger Flughafen kann nun begonnen werden/ Jahrelang wehrten sich die Anwohnergemeinden gegen das Späthsche Prestigeprojekt  ■ Aus Stuttgart Erwin Single

Der Stuttgarter Flughafensprecher Klaus Hoffmeister kann sich endlich freuen: Auf den Fildern läßt Innenminister Schlee noch diesen Monat die Baufahrzeuge auffahren, um die Startbahn für den seit 25 Jahren umstrittenen Flughafenausbau freizuplanieren. „Wir wollen jetzt keine Zeit mehr verlieren“, hatte Hoffmeister gefordert, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Berlin kürzlich den Weg für die Startbahnverlängerung freigemacht hatte. Das Stuttgarter Regierungspräsidium ordnete daraufhin jetzt den Sofortvollzug des 1987 gefällten Planfeststellungsbeschlusses an, gegen den insgesamt 627 Gemeinden und Einzelpersonen geklagt hatten.

Politisch längst beschlossene Sache, war das seit den 50er Jahren geplante ehrgeizige Flughafenprojekt in der Vergangenheit immer wieder ins Trudeln geraten. Doch Ministerpräsident Späth, der die Ausbaupläne im Landtagswahlkampf 1980 wieder hervorgekramt hatte, sollte recht behalten: „Der Stuttgarter Flughafen wird ausgebaut, auch wenn die Filderbewohner auf den Händen gehen“, hatte er gedroht.

Die Ausbaupläne sehen eine Verlängerung der Startbahn um 885 Meter auf rund 3.000 Meter in östlicher Richtung vor, wo heute die Autobahn A8 nach München verläuft. Die Autobahntrasse soll dafür rund 300 Meter nach Norden verlagert und dreispurig ausgebaut werden. Kosten des voraussichtlich 1995 fertiggestellten Gesamtprojekts: rund eine Milliarde DM. Von den verantwortlichen Politikern als „Ausbau mit Augenmaß“ bezeichnet, erheben Anreiner, Ausbaugegner und die Oppositionparteien SPD und Grüne weiterhin scharfe Einwände: Das Vorhaben sei noch immer überzogen und würde nun im „Hauruckverfahren“ durchgezogen. Ihrer Ansicht nach sollten die 10 Jahre alten Ausbaupläne noch einmal überarbeitet werden — nicht zuletzt, weil sich die militärische Nutzung des Echterdinger US-Airfields im Sog der Abrüstung ändern wird.

Die Flughafengegner hatten schon 1987 vermutet, daß der Ausbau der Startbahn auch militärischen Zielen dienen sollte und dies mit einem Gutachten des Starnberger Instituts für Friedensforschung untermauert: Nach einem 1987 von der Bundesrepublik und den USA unterzeichneten Abkommen sollte Stuttgart den US-Verstärkungsstreitkräften als Brückenkopf dienen. Noch im Sommer plante die US-Luftwaffe die Stationierung von 34 neuen Kampfhubschraubern in Stuttgart.

Ein Wackersdorf wird es im Filderland trotz der juristischen Niederlage nicht geben — auch wenn bereits einige Flughafengegner die Stuttgarter Regierung gewarnt haben, auf den Fildern werde notfalls „mit harten Bandagen“ gekämpft. Das Land hat zwar noch nicht alle Flughafen- Äcker für die benötigten 170 Hektar aufgekauft; der Rest soll jedoch in einem Flurbereinigungsverfahren abgefunden werden. Die Widerstandsfront bröckelt bereits: über 100 Klagen wurden zurückgenommen. Der Sprecher der Klägergemeinden, Ostfilderns Bürgermeister Koch, erklärte resigniert, die rechtlichen Mittel seien ausgeschöpft. Nicht wenige der Filderbauern, so wird zudem gemunkelt, hätten ihre seit langem nicht mehr intensiv bewirtschafteten Felder längst aufgegeben und mit den Verkäufen an die Flughafengesellschaft nicht schlecht verdient. Ein juristischer Erfolg vor dem Karlsruher Verfassungsgericht, vor das die „Schutzgemeinschaft gegen den Großflughafen Stuttgart“ eventuell zieht, ist angesichts des öffentlichen und wirtschaftlichen Interesses des Projekts (letzter Streitwert: 4 Mio D-Mark) kaum zu erwarten.

Die künftige Entwicklung des Industriezentrums im mittleren Neckarraum, so hatten die Befürworter argumentiert, stehe und falle auch mit der geplanten Flughafenerweiterung. Diese wirtschaftlichen Interessen haben Landesregierung und Flughafenbetreiber indes mit den immer wieder vorgetragenen Sicherheitsargumenten kaschiert: Seit Jahren fordert die Pilotenvereinigung Cockpit und die Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen verbesserte Sicherheitsvorkehrungen für den wegen mangelhaften Sicherheitsanlagen mit der roten Laterne ausgezeichneten Flughafen. Großflugzeuge wie der Jumbo konnten Stuttgart bislang wegen der zu kurzen Piste nicht anfliegen; häufiger Nebel beeinträchtigt zudem regelmäßig den Flugverkehr.

In 82.000 Einzeleinsprüchen — mehr als die Zahl der Wahlberechtigten in den Anliegergemeinden — hatte die Filderbevölkerung ihren Protest gegen Beton, Fluglärm, Kerosingestank - die Folgen des Prestigeprojekts des Landesvaters Späth - niedergelegt. Ein Teilerfolg bleibt ihnen am Ende dieses bisher umfangreichsten Verwaltungsverfahrens in der Bundesrepublik immerhin beschieden: gegenüber früheren Planungen ist der Großflughafen auf den Maßstab eines europäischen Mittelstrecken-Flughafens zusammengeschrumpft. Ursprünglich waren zwei parallele, über 4.000 Meter lange Pisten geplant. Das Waldgebiet um die gefährliche Weidacher Höhe sollte abgeholzt werden. Doch kaum ist die abgemilderte Planung durchgesetzt, werden Stimmen laut, die den Echterdinger Flughafen abschreiben wollen und einen neuen Großflughafen im Raum Böblingen anvisieren.