BGH: Der Verletzte ist selber schuld

■ Rüdiger Haese wurden am 12.12.1980 in Kreuzberg von einer Polizeiwanne beide Beine zerquetscht/ Der 35jährige bekam keinen Pfennig Schmerzensgeld

Berlin. Wenn Rüdiger Haese seine Prothese ab- und anschnallt, kommt ihm »der Haß auf die Bullen hoch«. Dem 35jährigen Mann wurden in der Nacht des 12.12. 1980 in Kreuzberg von einer Polizeiwanne beide Beine zerquetscht. Das linke mußte bis zum Knie amputiert werden. Dem Fahrer des Polizeifahrzeugs wurde nie der Prozeß gemacht, weil die Staatsanwaltschaft der Auffassung war, dem Beamten sei kein schuldhaftes Verhalten nachzuweisen.

Auch Schmerzensgeld bekam Rüdiger Haese nicht, obwohl er das Verfahren gegen das Land Berlin durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof (BGH) trieb. Sieben Jahre nach dem Vorfall kam 1897 von den höchsten Richtern aus Karlsruhe die lapidare Mitteilung, die Klage auf Schmerzensgeld sei »in vollem Umfang« abgewiesen.

Rüdiger Haese war am 12.12.1980 in Kreuzberg auf Kneipentour. Er stand als Schaulaustiger am Oranienplatz in einer Menschenmenge neben einer Barrikade, als eine Polizeiwanne mit vollem Tempo — ohne abzubremsen — auf die Barrikade zusteuerte.

Das Landgericht, das in erster Instanz über Haeses Schmerzensgeldanspruch zu befinden hatte, kam nach sorgfältiger Beweisaufnahme zu dem Schluß, der Fahrer habe sich schuldhaft fahrlässig verhalten. Es sprach Rüdiger Haese 30.000 DM Schmerzensgeld und weitere Schadensersatzleistungen zu. Das Urteil hatte jedoch keinen Bestand, weil das Kammergericht die Klage in zweiter Instanz in vollem Umfang mit der Begründung abwies: Der Unfall sei für den Fahrer unabwendbar gewesen. Er sei vielmehr auf das Verhalten des Verletzten zurückzuführen. Der Bundesgerichtshof, bei dem Haese Revision einlegte, war der gleichen Meinung.

Rüdiger Haese, der in einem ehemals besetzten Haus wohnt und von Sozialhilfe lebt, ist sehr verbittert. Ein Interview mit der taz lehnte er gestern ab, weil »die taz und die AL uns, das heißt die Hausbesetzerbewegung bis in die jüngste Zeit verraten und im Stich gelassen« habe. Sein einziger Kommentar zu dem Urteil: »Der von uns seit zig Jahren gepflegte Spruch: ‘Deutsche Polizisten — Mörder und Faschisten‚, bewahrheitet sich in den letzten Jahren immer mehr. Es gibt viele rechtsradikale Polizisten, und gemordet haben sie immer.«

Der Rechtsanwalt von Haese, Matthias Zieger, findet, daß es nach diesem Prozeßausgang nur eine Forderung gibt: »Das Opferentschädigungsgesetz muß auf Opfer von Polizeiübergriffen erweitert werden. Auch wenn die Polizisten von der Zivil- oder Strafjustiz nicht verfolgt werden.« plu