Auf der sowjetischen Sojus-Rakete prangt ein Sony-Logo

Japanischer Kommerzsender schickte für 37 Millionen Dollar seinen Starreporter ins Welt-All/Doch die erhofften Einschaltquoten in Tokio blieben aus  ■ Vom Boden Volker Graßmuck

Sechs japanische Frösche und ein japanischer Ex-Kettenraucher sind gestern, nach acht Tagen im All, zur Erde zurückgekehrt. Ziel der Mission war unter anderem festzustellen, wie grüne Baumfrösche mit der Schwerelosigkeit zurechtkommen. Am fünften Tag seiner Erdumrundung ließ Tojohiro Akijama, Japans erster Mann im All, die Frösche aus ihrem Plastikbeutel und beobachtete, wie sie sich um sich selbst drehten und nur mit Mühe einige Sprünge zustandebrachten. Bei Vorabexperimenten unter Pseudoschwerelosigkeit auf der Erde starben einige der größeren Tiere an Verdauungsschwierigkeiten. Akijama jedoch verdanken wir die Erkenntnis, daß unter wirklicher Schwerelosigkeit die größeren Exemplare weniger Schwierigkeiten haben als kleinere. Auch Akijama selbst klagte gelegentlich über Kopfschmerzen und Anfälle von Raumkrankheit.

Der 48jährige Auslandsreporter der Tokyo Broadcasting Station TBS ist auf vierfache Weise ein Erstling im All: als erster Japaner, erster Journalist, erster Laie, da die amerikanische Lehrerin, der diese Rolle zugedacht war, 1986 bei der Challanger-Explosion ums Leben kam, und — wohl am wichtigsten — der erste, der sich ein Flugticket gekauft hat. Allein zwölf Millionen Dollar zahlte TBS an die Sowjets, damit sie ihren Topreporter zum Schichtwechsel in der Raumstation MIR mitnehmen. Insgesamt ließ sich Japans größte kommerzielle Radio- und Fernsehstation das Spektakel 37 Millionen Dollar kosten. Außerdem schloß TBS noch eine Versicherung über 2,2 Millionen Dollar über das Leben ihres schwebenden Reporters ab.

Das ganze Unternehmen war das Sahnestück im Geburtstagsprogramm im vierzigsten Sendejahr. Unter dem Motto, „The Earth we love“, wollte TBS Japan, der Welt und vor allem sich selbst etwas Gutes tun. Ihr Auslandsredakteur Akijama sollte auf Umweltprobleme hinweisen, der Völkerverständigung dienen und die japanischen Kinder lehren, wie begrenzt unser Planet doch ist. Man hatte sich erhofft, daß Livebilder von der Abholzung des Regenwaldes einen tiefen Eindruck auf die Zuschauer machen würden. Auch der Satelliten- und Raketenmüll, der sich in der Umlaufbahn der Erde ansammelt, sollte das irdische Umweltbewußtsein heben, wenn er von einem erfahrenen Journalisten eingefangen und erläutert wird. Von oben gesehen, erscheinen Konflikte zwischen Staaten und Rassen als kleinlich. Eher an die junge Generation richteten sich Akijamas Experimente mit Fröschen, Spielzeug und Spielkarten.

Ganz so uneigennützig war das teure Wirtschaftsunternehmen natürlich nicht. Ganz konkret versprach sich TBS von der ersten Livereportage aus der Erdumlaufbahn den ersten Platz im Einschaltzahlenrennen zurückzuerobern. Nachdem der Sender lange die Führungsrolle innehatte, war er auf den vierten Platz von fünf kommerziellen TV- Stationen in Tokio zurückgefallen. Die Rechnung ging für den ersten Tag des Raketenstarts auch auf. Millionen von Zuschauern saßen am Sonntag vor einer Woche vor den Fernsehern, und TBS sahnte 36 Prozent der Einschaltraten ab. Doch bereits für den Exklusivreport vom Mittwoch hatte das Interesse der Zuschauer so weit nachgelassen, daß die Raten auf 17 Prozent sanken, nur drei Prozent über dem Durchschnittswert.

Die Fernsehstation gab sich philosophisch, die Einschaltquoten seien zwar heruntergegangen, „aber wir sind dennoch glücklich über die Ergebnisse“. Die KollegInnen von den Medien mochten nicht recht mit Akijama und TBS mitfeiern. Einige Zeitungen und Fernsehstationen ignorierten nach dem ersten Tag das Ereignis, das ein Medium aus sich selbst machte. Die Wirtschaftszeitung 'Nihon Kesai‘ beklagte, daß damit Reisen ins All zum Geschäft geworden seien.

Vor allem war die Reise ein Triumph der Werbewirtschaft. Den größten Teil der 37 Millionen Dollar holte TBS über neun Sponsoren herein. Werbung für Windeln, Zahnpasta und Videokameras unterbrachen die TV- und Radioprogramme in kurzen Abständen. Auch auf der Sojus-Rakete prangten neben der aufgehenden Sonne die Logos von Sony und American Express. Die staatliche Luft- und Raumfahrtagentur Japans strafte das Medienspektakel weitgehend mit Nichtbeachtung. Sie wollte schon 1988 den ersten japanischen Wissenschaftler an Bord eines amerikanischen Space Shuttle ins All schicken. Ein Gefühl der Schmach darf man auch auf seiten der Nasa unterstellen. Sie hatte den japanischen Flug auf 1991 verschoben, aber geplagt von Treibstofflecks und defekten Bordcomputern das Programm zusammengestrichen. Sie wählte nicht zufällig den Tag, an dem der erste Bürger des pazifischen Alliierten ausgerechnet mit einer sowjetischen Rakete abhob, für die Bekanntgabe des neuen Termins: 1992.

Nur mit einem Effekt hatte TBS nicht gerechnet: Daß die Aufmerksamkeit der Zuschauer nicht einmal drei Tage zu halten ist. Diesen Effekt haben die Medien selbst erzeugt. Jetzt sind sie ihr eigenes Opfer geworden.