„Wir behandeln die wie Dreck“

Tausende von Mosambikanern müssen aus der Ex-DDR in ihre afrikanische Heimat zurückkehren/ Fragen nach Finanzhilfe für die Integration der Rückkehrer nennt Bonn „unsittlich“/ Statt dessen soll Mosambik alte DDR-Schulden begleichen  ■ Von Willi Germund

Maputo (taz) — Bei der Ankunft auf dem Flughafen Mayalane in Mosambiks Hauptstadt Maputo ist für die Heimkehrer noch alles in Ordnung: Schicke Kleider und große Gettoblaster kann sich in dem afrikanischen Land nicht jeder leisten. Für die damit bepackten Mosambikaner folgen allerdings schnell die ersten Dämpfer. Die Container, mit denen sie ihr großes Umzugsgut aus der Ex-DDR geschickt haben, werden häufig im Hafen ausgeraubt. Andere stellen plötzlich fest, daß sie selbst den Weitertransport zu ihren Heimatorten in Mosambik bezahlen sollen.

16.000 Mosambikaner arbeiteten jahrelang als Gastarbeiter in der DDR. 4.000 sind bereits wieder in ihrem Heimatland, bis Weihnachten werden weitere 3.000 erwartet. Die Rückführung unter teilweise skandalösen Umständen sorgt mittlerweile für handfesten Ärger zwischen Bonn und Mosambik. Selbst ein zuständiger Diplomat in Maputo stöhnt: „Ich wünschte mir, eine Regierungsstelle in Deutschland würde kontrollierend eingreifen.“

„Ausländer raus“ — das war der Spruch, den die Mosambikaner zum Abschied am häufigsten in der ehemaligen DDR hörten. Viele wurden auch von den Betrieben so behandelt, bei denen sie teilweise jahrelang gearbeitet hatten. Eine Abfindung von 3.000 Mark, ein Flugticket in einer billigen Chartermaschine, zwei bis drei Monate Wartefrist in Deutschland, und ab geht die Reise. „Es wird nicht so richtig klar, was mit einem vorgeht“, erzählt Leopoldo Pinto, am Kopf ein weißes Stirnband mit der sinnigen Aufschrift „I love Wangeroog“. Er selbst kam bisher glimpflich davon. Voll ohnmächtigen Zorns erlebten dagegen Kollegen nicht nur, daß ihre Container bei der Ankunft in Maputos Hafen leergeräumt waren. Ihre ehemaligen DDR-Arbeitgeber hatten bei den Versicherungsprämien gespart — die Folge: Die Entschädigung entspricht längst nicht dem wirklichen Wert der gestohlenen Sachen.

Neben rund 50.000 Vietnamesen stellten die 16.000 Mosambiker das zweitgrößte Gastarbeiterkontingent in der ehemaligen DDR. An dritter Stelle folgte Angola mit weniger als 2.000 Gastarbeitern. Ihre Arbeitsleistung wurde zum Teil mit Schulden verrechnet, die ihre Regierungen bei der DDR machten. Mosambiks Auslandsschulden in der Ex-DDR sollen sich auf gegenwärtig 308 Millionen US-Dollar belaufen. Laut einer Regelung, die erst Mitte dieses Jahres ausgehandelt wurde, laufen die Arbeitsverträge Ende 1990 aus. Sie konnten bei bestimmten Fällen allerdings auch früher aufgelöst werden.

Nach der Übereinkunft sollte die Rückführung in „geordneten Bahnen“ von Interflug und Mosambiks Fluggesellschaft „LAM“ abgewickelt werden. Statt dessen tauchte das erste Flugzeug ohne Vorwarnung in Maputo auf. Der nächste unangemeldete Flug, so drohte wütend die Regierung, dürfe nicht landen. Aber Präsident Joaquim Chissanos Regierung konnte den Rückkehrstrom weder stoppen noch bremsen. Jetzt werden die Mosambiker per Charter nach Südafrika oder Zimbabwe verfrachtet und kommen dann per Anschlußflug in Maputo an.

„Wir reden von sozialer Marktwirtschaft und behandeln die wie Dreck“, kritisiert ein deutscher Entwicklungshelfer in Maputo das Verfahren. Mosambiks Regierung, durch den Krieg mit der rechtsgerichteten Renamo und wegen wirtschaftlicher Probleme ohnehin in finanziellen Nöten, ist auf die Rückkehrer kaum vorbereitet. In Bonn wird inzwischen wenigstens eine humanitäre Hilfe für das Lager Machala diskutiert, in dem die Rückkehrer aus Deutschland zunächst untergebracht werden. Rund 100 bis 150 Heimkehrer kommen wöchentlich hinzu, rund 60 gehen im gleichen Zeitraum zu ihren Familien in Mosambik zurück oder versuchen, nach Deutschland zurückzukehren.

Mosambik ist so sauer, daß Finanzminister Abdul Magib Osman bei einem Seminar der Friedrich- Ebert-Stiftung in Maputo Geld für die Heimkehrer verlangte: Pro Person 20.000 Dollar plus Jahreszinsen. Multipliziert mit 16.000 ergibt dies etwa die Summe von 308 Millionen Dollar Schulden in der ehemaligen DDR. Bonns Reaktion: Die Forderung sei „unsittlich“. Nicht minder „unsittlich“ aber findet Mosambik das Verhalten der deutschen Seite. Vor zwei Jahren wurde Mosambik nicht nur zugesichert, daß jede Entwicklungshilfe in Form von Spenden geleistet werde, Bonn erließ dem afrikanischen Land auch alle Auslandsschulden. Der Grund: Es ist eines der ärmsten Länder der Welt.

Nach der — teuer kommenden — Vereinigung von BRD und DDR gilt das nun nicht mehr. Zwar scheut Bonn, aus Furcht vor Präzedenzfällen, das Wort „Rechtsnachfolge“ wie die Katze das Wasser, wenn es um Verpflichtungen der DDR im Ausland geht, aber bei ausländischen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Ex-DDR hält der neue deutsche Staat bereitwillig die Hand auf. So soll auch Mosambik zahlen. Dabei fließt der größte Teil von Mosambiks 308 Millionen Dollar Schulden nicht einmal in den Bonner Staatssäckel. Profitieren würden vor allem Betriebe in der Ex-DDR, die früher Beziehungen zu Mosambik unterhielten. Ausgerechnet mit Dollars aus einem der ärmsten Staaten der Welt sollen sich nach Ansicht Bonns marode Unternehmen in der Ex-DDR über Wasser halten.