Praktisch und heimtückisch

■ US-Behörde genehmigt Langzeit-Verhütungsmittel/ „Norplant“ wird unter die Haut genäht

Berlin (taz) — Satte Bilanzen für die Pharmaindustrie garantiert die jüngste Entscheidung der amerikanischen Nahrungsmittel- und Medikamentenbehörde: 30 Jahre nach Einführung der Pille genehmigte sie am Montag ein neues Verhütungsmittel. „Norplant“, so der Name des Hormonpräparats, besteht aus sechs etwa streichholzgroßen Kapseln, wird in den Arm eingepflanzt und soll bis zu fünf Jahren wirken, doch damit enden die Neuigkeiten auch schon. Alles andere ist beim alten geblieben: Die Verhütung bleibt Frauensache, das Mittel hat haufenweise Nebenwirkungen und ist lange vor seiner Zulassung bereits an rund einer halben Million Frauen in der dritten Welt erprobt worden. Als erste „wirkliche Alternative“ zu mechanischen Verhütungsmethoden und „großer Fortschritt sowohl für die USA als auch den Rest der Welt“ wird das Mittel jetzt in den USA gepriesen, wo seit Mitte der 60er Jahre daran geforscht wurde. Die fünf Silikonkapseln werden bei lokaler Betäubung in die Haut am Unterarm kurz unterhalb des Ellenbogens genäht. Sie sind mit dem Hormon Levornogestrel gefüllt, das dem aus der Pille bekannten Progesteron ähnelt.

Die Kapseln sind unsichtbar, frau kann sie aber unter der Haut ertasten. Angeblich kann „Norplant“ völlig problemlos entfernt werden und hinterläßt dann keine Spuren. Bei der Nahrungsmittel- und Medikamentenbehörde in Washington gilt es deshalb als Traumrezept. „Man kann es einfach einsetzen und dann vergessen“, erklärte ein Mitglied. So ganz problemlos ist „Norplant“ jedoch nicht. Bereits aus der bisherigen Erprobung ist eine lange Liste von Nebenwirkungen bekannt: Übelkeit, überlange Monatsblutungen, Kopfschmerzen, Zunahme von Akne, Depressionen und unerklärliche Stimmungsschwankungen. Viele Frauen bekommen chronische Schmerzen im Unterleib, vergrößerte Eierstöcke und Eileiter. Nach der Entfernung der Kapseln treten oft langanhaltende Zyklusstörungen auf. Bei alledem sind die Frauen dem medizinischen Personal auf perfide Weise ausgeliefert: Sollten sie doch Kinder haben wollen, müssen sie erst eine Fachkraft davon überzeugen. Bei der Erprobung in Indien versuchten manche Frauen in ihrer Verzweiflung, sich selbst die Kapseln aus der Haut zu schneiden.

Die Firma Wyeth-Ayerst Laboratories of Philadelphia, die „Norplant“ auf den Markt bringt, hält ihr Produkt ganz besonders für Frauen in der dritten Welt geeignet. Denn es ist „höchst wirksam, es hält lange, kann rückgängig gemacht werden und verlangt keinen besonderen Einsatz der Benutzerin“. Mit denselben Argumenten ist in der dritten Welt in den vergangenen Jahren bereits massiv die Dreimonatsspritze eingeführt worden. Rund eine halbe Million Frauen sollen das Mittel bereits ausprobiert haben. In insgesamt 16 Ländern ist „Norplant“ inzwischen von den Behörden gestattet. Neben der Dominikanischen Republik, Indonesien und Thailand sind auch zwei europäische Länder, Finnland und Schweden, auf dieser Liste. In der Bundesrepublik sind die Kapseln nicht zugelassen, erklärte das Bundesgesundheitsamt der taz. Ob ein Antrag der Pharmafirma vorliegt, darf das Amt aber nicht mitteilen. dora