Ein Rüpel im Frack

■ Diestel: Ampelkoalition überflüssig/ Brandenburger Landtag debattierte Regierungserklärung

Potsdam (taz) — „Die Ampelkoalition ist eine Fehlgeburt“, polterte CDU-Fraktionsführer Peter-Michael Diestel nicht anders als erwartet auf die Regierungserklärung des Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Am vergangenen Donnerstag hatte dieser unter hohem Erwartungsdruck seinen Willen vor dem Landtag in Potsdam kundgetan. Gestern vormittag nun ging die Opposition daran, seine wohlgeformte Rede zu zerpflücken. Für jeden ein gutes Wort, aber ansonsten unkonkrete, zeitlich nicht fixierte Problemlösungen, setzte Diestel seine Kritik von rechts fort. Die Verzögerung — Stolpe hatte sich länger als seine Amtskollegen in den anderen neuen Bundesländern Zeit gelassen — habe sich nicht gelohnt. 22mal habe Stolpe den Bund angerufen, die Wünsche seiner Regierung zu finanzieren. Doch man könne, so Diestel, nicht auf den Esel setzten, „der im Ergebnis seines Verdauungsvorganges goldene Dukaten rückwärtig von sich gibt.“ Lösungen müßten erst im Lande selbst gesucht werden.

„Brandenburg ist das Schlußlicht“, polierte Kollege Diestel eine seiner Lieblingsslogans auf. Den Grund dafür lieferte er im weiteren Redefluß frei Haus: Unbegründet sei „der erwiesenene politische Sachverstand der CDU“ abgelehnt, sprich auf die Oppositionsbank abgeschoben worden. Dem „hochverehrten“ Ministerpräsidenten empfiehlt Diestel, nicht mit einem „auslaufenden Modell in die Geschichte“ einzugehen. Für den Fall der Fälle sei ihm die Unterstützung der CDU sicher. „Die Ampelkoalition wird nicht auf dem Wühltisch im Winterausverkauf landen“, entgegnete Umweltminister Matthias Platzeck (Bündnis 90). Noch in der Volkskammer habe der ehemalige Innenminister die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Grüne getröstet, man könne in der Opposition viel lernen. „Nutzen Sie diese Chance, Herr Diestel!“

Das Bündnis 90, so Fraktionsführer Günter Nooke, beteilige sich an der Macht mit dem Ziel, „in diesem Rechtsstaat mit rechtsstaatlichen Mitteln Macht weiter zu begrenzen und zu kontrollieren“. Das Bündnis wolle und könne nicht die Fundamentalopposition in der Regierung sein. Lothar Bisky , Vorsitzender der Fraktion PDS/Linke Liste, stimmte dem Geist der Regierungserklärung zu, kritisierte aber gleichzeitig ihre Lebensferne.

Während Stolpe noch an ausgewogenen Eventuell-Formulierungen gefeilt habe, hätte sein Finanzminister das Selbstwertgefühl der Brandenburger schon in „knallharte Zahlenkolonnen“ gepreßt. Arbeit für alle habe Stolpe angemahnt, ohne zu sagen, wie und wo welche Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Die Politikverdrossenheit der Brandenburger sei eine ernst zu nehmende Resignation, die sich nicht allein aus Altlasten erklären lassen könnte. Irina Grabowski