»Kein Ausbluten der HU«

■ Hilde Schramm (AL) zu den Gerüchten um eine mögliche flächendeckende »Abwicklung« an der Humboldt-Uni INTERVIEW

Heute hat Wissenschaftssenatorin Riedmüller Gerüchte dementiert, nach denen Teile der Humboldt-Universität im Sinne des Einheitsvertrages noch bis zum 31.12.1990 »abgewickelt« werden sollen. Unter »Abwicklung« versteht man das »Ruhen« sämtlicher Arbeitsverhältnisse der betreffenden Einrichtungen. Nächsten Dienstag soll eine Senatsvorlage zu diesesm Thema auf dem Tisch liegen. Hilde Schramm, hochschulpolitische Sprecherin der AL, über das »Abwicklungsvorhaben« des Senats.

taz: Laut Information des Rektors der Humboldt-Universität (HU), Professor Fink, sind von der Abwicklung angeblich 5.000 der 6.000 im allgemeinen Hochschulbereich Beschäftigten betroffen. Was steht in der Senatsvorlage?

Hilde Schramm: Das weiß niemand. Laut Aussagen von Staatssekretär Kremendahl gestern im Kuratorium arbeitet die Verwaltung noch an der Vorlage daran. Die Auskünfte, ob die ja existierenden, sehr weitgehenden Abwicklungspläne wirklich vom Tisch sind, sind sehr widersprüchlich. Die offensichtliche Geheimhaltung, die viel Unsicherheit produziert, ist allein schon ein Skandal.

Wie sehen dann die Pläne aus?

Ich fürchte, einige Bereiche werden dennoch abgewickelt bis Ende des Jahres und dann quasi wieder »neu gegründet«. Das ist eine Konstruktion, die wohl noch favorisiert wird. Welche Bereiche das sind, weiß keiner...

...aber Sie haben doch eine Vorstellung, welche das sein könnten?

Vermutlich wird es den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften treffen. Aber wahrscheinlich wird sich das Problem der Umstrukturierung der einzelnen Bereiche erst nach deren Übernahme durch Kündigungen und Stellenreduzierungen regeln.

Hintergrund dieser Abwicklungskonzepte ist ja auch — neben finanziellen Argumenten — das Mißtrauen in den »Selbstreinigungsprozeß« der Institute der HU. Geht dies nicht, wenn überhaupt, zu langsam?

Man muß da in jedem Falle behutsam vorgehen, nicht so, wie es der Senat geplant hat. Man hat die Entscheidung getroffen, die Humboldt- Universität zu übernehmen, und dann muß man ihr konsequenterweise auch Zeit lassen, sich von innen heraus zu erneuern. Natürlich muß man Druck ausüben von außen, aber nicht mit Kahlschlag im Sinne von Massenentlassungen.

Aber der »Lernprozeß« kostet Geld...

Man braucht die Humboldt-Universität. Die Zahl der Studierenden drüben wird sich erhöhen. Hier im Westteil der Stadt studieren momentan 26 Prozent eines Jahrganges, im Ostteil sind es 13 Prozent. Das wird sich allen Prognosen zufolge angleichen. Da kann es auch nicht im Interesse der West-Universitäten sein, das Ost-Pendant ausbluten zu lassen. Das Geld dafür muß dann einfach da sein. Überdies war Berlin immer stolz darauf, eine Wissenschaftsstadt zu sein.

Was würde sich unter einem möglichen CDU-geführten Wissenschaftsressort ändern?

Ich fürchte, daß sie ideologisch noch härter durchgreifen werden als der SPD-Senat. Sie werden mehr bedacht sein, westliche Professoren einzustellen und gewisse Traditionsstränge der Humboldt-Universität zu kappen — also ich denke da an die Geisteswissenschaften, da besteht ja auch eine Konkurrenz zur FU. Gespräch: Nana Brink