Aus der Not eine Tugend gemacht

■ SDR und SWF: Kooperation statt Fusion/ Einsparungen für neue Programme genutzt

Stuttgart (taz) — Nach der geplatzten Rundfunkfusion wird die zwischen Südwestfunk (SWF) und Süddeutschem Rundfunk (SDR) ausgehandelte Kooperation nun in der Programmgestaltung ihren Niederschlag finden: Mit dem gemeinsamen Hörfunkprogramm S2 Kultur, das auch in Rheinland-Pfalz ausgestrahlt wird, und einer abendlichen Landesstunde im Fernsehprogramm Südwest 3 schalten sich die beiden Sender ab 1.Januar auf dieselbe Wellenlänge. Die Programmdirektoren wollen damit „aus der Not eine Tugend machen“, nachdem sie durch die von den Landesregierungen in Stuttgart und Mainz lange Zeit favorisierte Verschmelzung der Sender schwer unter Druck geraten waren. Um ihr auch anstaltsintern als mager kritisierte Kooperationskonzept als „neues Kapitel in der Rundfunkgeschichte“ verkaufen zu können, scheuen die Intendanten sich nicht, bei jeder Gelegenheit die finanziellen Vorteile der Programmerneuerung zu preisen: 1,2 Millionen D-Mark sollen so eingespart werden — um diese postwendend wieder in ein gemeinsames viertes Radioprogramm S4 zu stecken.

Ein derartiges Landesprogramm für Baden-Württemberg war bisher nicht realisierbar, weil SDR und SWF für jeweils die nördlichen und südlichen Landesteile zuständig waren. Ein ähnliches Programm, das als Rahmenprogramm mit parallel geschalteten regionalen Fenstern Landesidentität erzeugen soll, soll für Rheinland-Pfalz im Juli 1991 folgen. Das Landesradio, von Woche zu Woche abwechselnd in Stuttgart und Baden-Baden produziert, wird eine „deutschorientiert melodische“ Musikfarbe erhalten und soll die Abwanderung älterer HörerInnen ab vierzig aus den ersten Hörfunkprogrammen stoppen.

Das neue Kulturprogramm, in dem die bislang getrennten Programme SDR 2 und SWF 2 aufgehen, soll sich mit Kultur, E-Musik sowie etwas Politik, Wirtschaft und Unterhaltung an sogenannte „qualifizierte Minderheiten“ wenden. Der Saarländische Rundfunk (SR), bisher über die Studiowelle Saar mit 40 Prozent in den beiden zweiten Programmen kooptiert, wurde von beiden baden-württembergischen Anstalten ausgebootet.

In den Fernsehabteilungen der Sender wird es durch die Kooperationsvereinbarung zu einer Arbeitsteilung in der Berichterstattung kommen: Landespolitik aus der schwäbischen Metropole, Kultur aus der badische Residenzstadt. Einzige Neuerung im mit dem SR gemeinsam veranstalteten dritten Fernsehprogramm wird die Einführung einer zweigeteilten einstündigen Landesstunde sein, die die Abendschau ablöst. Weg vom Nischenprogramm soll sich das Dritte als Vollprogramm stärker dem allgemeinen Publikumsgeschmack nähern — beispielsweise mit einer „8-Uhr-Serie“. Bis zu 30 Millionen D-Mark will man sich das kosten lassen. Ob damit der forsch formulierte Anspruch, „das Dritte zum Ersten im Land zu machen“, eingelöst werden kann, ist fraglich: Die Einschaltquoten waren oft so dürftig, daß sie von der Medienforschung gar nicht erfaßt wurden.

Trotz der vereinbarten Schmalspurkooperation spucken die Verantwortlichen weiter große Töne: 40 Jahre lang hätten sich die beiden Sender als „Konkurrenten“ bekämpft. Heute würden sie sich vor allem als „Partner“ sehen. Im kommenden Jahr, so SWF-Intendant Willibald Hilf, stehe das Experiemt mit der Kooperation vor seiner programmlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Bewährungsprobe. Ob bei aller Schönfärberei die Kooperation die mit der Fusion drohenden Politiker Späth und Wagner auf Dauer zufriedenstellen wird, darf ernsthaft bezweifelt werden. Erwin Single