RADIO DAYS
: Donnerstag

■ Freitag * Sonntag

Viel wurde geklagt über Filme wie The Moderns oder Henry and June. Zu klischeebehaftet und hochglanzmäßig befanden die, die es wissen müssen. Aber ein Gutes haben diese Filme doch: Sie geben den Feuilletons ein neues Thema. So will denn auch die heutige Ausgabe des NDR3-Funkfeuilletons zeigen, was wirklich Sache war. Ab 14.30 Uhr stellt Hans-Joachim Vormann seine Version des literarischen Paris zum Vergleich. Besondere Beachtung findet dabei Henry Miller im Wendekreis der Karriere.

Und abends geht's gleich weiter, diesmal mit Wien als Tatort. Man zählt das Jahr 1914, und die Bohème ist gerade um ein Mitglied ärmer geworden. Ein junger Maler kam auf mysteriöse Weise ums Leben. Sein Bruder mag der Version vom Selbstmord keinen Glauben schenken und geht der Sache nach. Doch leider zu gründlich, denn wenig später stirbt auch er. So häufen sich die undurchsichtigen Todesfälle in Leo Perutz' Literaturkrimi Der Meister des jüngsten Tages. Um 20 Uhr können die Fans der litérature noir den WDR1 einschalten. Was sie erwartet, definierte Friedrich Torberg als „mögliches Resultat eines Fehltritts von Franz Kafka mit Agatha Christie“. Das könnte sogar hinkommen, denn Perutz stammte wie Kafka aus Prag...

Es scheint doch schon die Regel zu sein, daß die Wissenschaft immer etwas schwerfällig anläuft. Meist ist ein Problemfeld schon längst jenseits der Aktualität, ehe sich in den Instituten etwas bewegt. Aber zum Glück gibt es da Ausnahmen. So informiert uns ein Feature beim BR2, daß es in Erlangen-Nürnberg jetzt ein soziologisches Forschungsprojekt zur Situation von Asylbewerben gibt. Wie verkraften es Iraner, Eritreer oder Afghanen, in einer fremden Kultur zu leben, in der sie sozusagen als „Naturkatastrophe“ betrachtet werden? Und wie gelingt ihnen nach der Anerkennung des Bleiberechts eine Integration? Über solche Fragen hinaus befragt das Autorenduo Stosch/Unfried Asylbewerber selbst, einen Vertreter des hohen Flüchtlingskommissars der UN, den Asylrechtler Victor Pfaff und Burkhard Hirsch aus den Reihen der Politiker. Wer sich ein Bild über den Umgang mit Asylbewerbern machen möchte, hat um 15 Uhr dazu Gelegenheit.

Alles oder nichts ist ein Hörspiel von Raymond Federman, in dem es neben der Story vor allem um die Möglichkeiten von „story telling“ geht. Ein Mann beschließt, sich in New York zurückzuziehen, um die Geschichte eines 19jährigen immigrierten Europäers zu erzählen. Und natürlich ist die Figur des schüchternen jungen Mannes die Erinnerung Federmans an sich selbst. Wie er 1947, nachdem er sich lange vor den Nazis versteckt hatte, Frankreich den Rücken kehrte, und wie es ihm erging in einem fremden Land mit einer unbekannten Sprache. Federman weiß, wovon er redet, und weiß auch, daß schwierige Geschichten am besten mit viel Witz „'rüberkommen“. Wer also auch mal richtig lachen möchte, ist hier an der richtigen Adresse. Federman war klug genug, sich erst spät im Leben der Literatur zuzuwenden. Darum hat er wirklich einiges zu sagen. Zunächst arbeitete er als Jazzmusiker, Fabrikarbeiter, G.I., Fallschirmspringer, Schwimmeister, Kritiker und ist jetzt ganz nebenbei noch Literaturprofessor. Sein erstes Hörspiel kommt um 22.05 Uhr beim BR2.

Auch wenn Nina Hagen beim Gedanken an Simone de Beauvoir stets die Haare zu Berge standen — „Gott bevoir“ — mag die alte Dame der Frauenbewegung noch einige Fans haben. Und genau für die hat der SWF2 um 22.20 Uhr ein literarisches Nachtgespräch angesetzt.

Vom Schreiben im Gefängnis handelt das Radiofeature Freigang der Seele. Frühmorgens ab 8.30 Uhr bietet der WDR3 einen Einblick in diese wenig bekannte Realität.GeHa