Ein donnerndes Piano mit Herz

Starensemble Bayer Leverkusen verabschiedet sich tor- und leidenschaftslos aus dem UEFA-Cup Gegen Bröndby IF reichte nach dem 0:3-Debakel im Hinspiel der gute Wille allein nicht aus  ■ Vom Bayer Bernd Müllender

Pflichtschuldig schritten die elf Bayer-Kicker nach dem Spiel zur Fankurve und hielten zum Dank ein paarmal die Arme in die Höhe. „Ganz phantastisch, wirklich nicht noch mal“, begeisterte sich hinterher ihr Trainer Jürgen Gelsdorf über die ungewohnte Phonzahl der rufstarken und fahnenschwenkenden Jugendlichen. Immerhin waren es einige Dutzend mehr als sonst, wohl auch, weil ein jedes mitgebrachte Lärminstrument gleich als Eintrittskarte galt. Donnernde Pianostimmung also statt der sonstigen pianissimo Grabesstimmung in der fast zu einem Drittel besetzten kleinen Ulrich-Haberland- Arena.

Und die „Profis mit Herz“ (Eigenwerbung) hatten auch durchaus brav gekämpft. Niemand würde ihnen „beim Bayer“, wie man bei Bayer sagt, ernsthaft fehlendes Engagement vorwerfen können. Nochmal Gelsdorf: „Wir haben genau das versucht, was wir uns vorgenommen haben.“ Wenn das nichts ist: Versuchen ist schließlich keine Schande — zumal nach dem Debakel aus dem Hinspiel, wo die Werkself total desolat zu Werke gegangen war und mit dem 0:3 noch bestens bedient war.

Aber sie hatten ja das Wunder gewollt. So eines wie jenes am 18. Mai anno 1988, als der Bayer im UEFA- Cup-Finale gegen Espanol Barcelona ein 0:3 aufgeholt, das Elfmeterschießen gewonnen und so den Europapokal gewonnen hatte. Die trefflichen Minuten 56/81/63 sollten das Maß sein für diesen neuen Mai im naßkalten Dezember. Doch daraus wurde nichts, weil die Bayer-Elf 90 zwar Starspieler en masse hat, aber keine Mannschaft. Da fehlt die Leidenschaft, da fehlt das Feuer. Alles nette Kerls, die sicherlich reichlich Herz haben, aber keinen Biß. Jeder müht sich nach Kräften, kann sich meist selbst gut darstellen, und wenn es dazu keine Gelegenheit gibt, spielt er den kurzen Sicherheitspaß. Beamtenfußball — aus der höheren spielkulturellen Dienstlaufbahn zwar, aber immer ohne Angst um die Karriere, nie den einen gewagten Schritt zu hoch auf der Leiter, man könnte ja fallen. Fußball nach Vorschrift. Auch Manager Calmund tat am Dienstag enttäuscht kund, des Rätsels Lösung nicht zu kennen, warum der Knoten nicht platze in seinem mit Abermillionen zusammengekauften Ensemble, wo er immer wieder mal an Moral und den rechten Arbeitseifer appellieren müsse.

Das Match mit Bröndby war typisch. Die Kopenhagener waren ein „Team total“, bei dem der Fußball nach alter proletarischer Tradition zunächst mal gearbeitet wurde. Taktisch zudem gewitzt mit mutigem Forechecking, wo immer möglich — Trainer Morton Olsen, der Ex-Kölner, scheuchte die Seinen immer wieder nach vorne, das 3:0 vor dem Gegnertor zu verteidigen. Jeder rannte für jeden, die Stürmer Christensen und Frank waren schon deswegen hervorragend, weil sie in quasi vorderster Defensive ständig den Spielaufbau störten. Zudem mit einem dänischen Hünen Peter Schmeichel im Kasten, der ein Riesentorwart ist mit einer solch absoluten Fangsicherheit auch bei Flanken, die dem Himmel zustreben, daß er der erste Keeper im Rugby werden könnte.

„Taktisch verständig gespielt“, so lobte Olsen alle hernach, und bemerkte mit süffisantem Lob, Bayer habe „hinten gut gestanden“. Vorne reichte es kaum mal zu einer Chance. Aufregend war es nie. Jorginho war ein starker Antreiber, Ulf Kirsten („wir werden kratzen und beißen“) ein quirliger Angreifer, aber letztlich ohne Biß. Die katastrophalen beiden Reinhardts und der ungelenke Kree wären froh gewesen, wenigstens das Mittelmaß geschafft zu haben. Alles Durchschnitt, alles Langeweile, alles 0:0/8/15. Der FC Bayer Edel hat zwar einen Bewirtungsetat nahe dem Jahresbudget eines kleineren Zweitligisten, aber eine Mannschaft, die von einem Dauerphlegma befallen scheint. Wann hat es, außer dem Triumph 1988, jemals mitreißende Spiele gegeben? Wann mal ein mitreißendes, total umgekipptes Spiel? Wann einen „Fußballhelden“, der mal zwei oder drei Tore in einem Spiel geschossen hat? Keine bewegenden Legenden, nicht mal einen richtigen Skandal.

Über die Geschichte des Bayer eine Chronik zu schreiben, gelänge auch einem Analphabeten. Immer das gleiche, und nie was Neues, warum auch kaum mal mehr als 10.000 Unentwegte live dabei sein wollen. Aber wenigstens eine neue Erkenntnis gab es beim recht wirkungslos wirbelnden Andreas Thom. Dessen angeblich „frappierende Ähnlichkeit“ mit dem Autor dieser Zeilen (so taz-Kritiker Biermann von einem fernen Stehplatz), konnte durch Augenschein aus nächster Nähe klar wiederlegt werden. Andreas Thom — nein danke.

Bröndby IF: Schmeichel — Olsen — Ukechukwu (75. Pingel), Risager - Bjarne Jensen, John Jensen, Christofte, Vilfort, Carsten Jensen — Christensen, Frank

Leverkusen: Vollborn — Foda (75. Stammann) — Kree, Alois Reinhardt (56. Lesniak) — Jorginho, Thom, Schreier, Lupescu, Knut Reinhardt — Kirsten, Herrlich