Blinde Passagiere in Spanien

Tausende afrikanische ImmigrantInnen versuchen sich unsichtbar zu machen/ Rechtlose Situation ohne Papiere und Obdach  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Bei Nacht und Nebel schaukeln sie in Nußschalen von Afrika über die Meeresenge von Gibraltar, unbemerkt versuchen sie, das spanische Festland zu betreten. Möglichst ungesehen bemühen sie sich dann in den andalusischen Glashausplantagen oder den katalanischen Feldern um einen unterbezahlten Job, schlafen in Hütten oder am Feldrand, die Guardia Civil drückt die Augen zu.

In den Städten ist die Gegenwart der dunkelhäutigen illegalen Einwanderer unübersehbar: In U-Bahnschächten und Fußgängerpassagen legen sie Blechschmuck und billige Blusen auf Decken zum Verkauf, manche lungern in der Altstadt auf öffentlichen Plätzen und flüstern Passanten ein fragendes „Chocolate?“ („Shit?“) zu. Nachts schlafen sie in billigen Herbergen oder — wie in den vergangenen Monaten in Madrid- zu Hunderten auf öffentlichen Rasenflächen im Stadtzentrum.

Doch selbst hier sind sie nie wirklich da, sondern gleichsam immer nur dagewesen: Ohne Papiere und ohne Aufenthaltserlaubnis, versuchen sie wie blinde Passagiere keine Spuren zu hinterlassen auf dem Schiff Spanien. Ihre fliegenden Klamottenläden sind in Windeseile zusammengepackt, falls die Polizei kommt, ihre wenigen Habseligkeiten lassen sie zur Not zurück, wenn nachts eine Razzia stattfindet.

In Spanien, dem Visavis des afrikanischen Kontinents, gibt es keine Spuren von der Anwesenheit der zahlreichen Schwarzafrikaner und Marokkaner, die hier Ruhe vor Verfolgung oder auch nur einen Lebensunterhalt suchen. Ohne Arbeitserlaubnis läßt sich zwar zur Not ein Job als Feldarbeiter finden, zur Eröffnung eines Ladens bedürfte es jedoch einer behördlichen Genehmigung.

Die ständig fluktuierende, auf der Flucht lebende Bevölkerung gründet auch keine Interessensvertretungen, eröffnet keine Cafés und keine Buchläden. Sie mischt sich nicht in die Debatte um Salman Rushdie ein und demonstriert weder für noch gegen Sadam Hussein. Sie bildet keine sichtbaren Ghettos, wird aber auch nicht sichtbar eingegliedert. Nicht auffallen, heißt die allesbestimmende Devise.

Gegen Rassismus hilft das alles nichts. Seit der Reconquista durch die katholischen Könige an ein ausländerloses Land gewöhnt, sind die meisten Spanier schnell bereit, seit Jahrhunderten überlieferte rassistische Ressentiments zur Beurteilung dieser Fremden heranzuziehen. Wenn es schon Neuerungen geben soll, dann, bitte schön, aus dem zivilisierten Norden. In ganz Ceuta, dem spanischen Vorposten auf dem afrikanischen Kontinent, gibt es nur zwei Couscouslokale. Im Stadtzentrum von Madrid hingegen würgen sich Afrikaner Doppelwhopper hinein.