Schwedisches Parlament will den Beitritt zur EG

Sozialdemokraten und bürgerliche Parteien einig/ Gegen EG-Militärpolitik  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Schweden reiht sich in die Warteschlange vor der Europäischen Gemeinschaft ein: Gestern morgen hat der Reichstag in Stockholm der Regierung grünes Licht für Beitrittsverhandlungen gegeben. Es gilt nunmehr als wahrscheinlich, daß die sozialdemokratische Regierung im kommenden Jahr ihren Antrag in Brüssel stellen wird. Daran würde auch ein Regierungswechsel bei den Parlamentswahlen im kommenden September nichts ändern, denn auch die drei bürgerlichen Oppositionsparteien stimmten dem Parlamentsbeschluß zu. Gegen einen Anschluß an EG-Europa votierten die Grünen und die kommunistische „Linkspartei“. Während die Grünen eine Nivellierung der schwedischen Industrie- und Umweltpolitik nach unten befürchteten, beschworen die KommunistInnen den Geist des ermordeten Sozialdemokraten Olof Palme, dessen Neutralitätspolitik durch einen EG-Beitritt zunichte gemacht würde.

Mit der Neutralität Schwedens hatte auch die sozialdemokratische Partei noch bis vor wenigen Monaten ihre grundsätzlich ablehnende Haltung zu einer EG-Mitgliedschaft begründet. Die Kehrtwende wird mit den „grundlegenden politischen Umwälzungen“ der letzten Zeit begründet. Unter diesen „neuen Voraussetzungen“ ist die Mehrzahl der Reichstagsabgeordneten zu der Ansicht gekommen, daß EG-Mitgliedschaft und Neutralitätspolitik doch vereinbar sind. Ungeachtet der Diskussion innerhalb der EG über eine gemeinsame Militärpolitik, die bei der morgen in Rom beginnenden Konferenz der Regierungen eine zentrale Rolle spielen wird, zeigten sich die schwedischen Parlamentarier überzeugt davon, daß die EG nicht in eine militärische und politische Union umfunktioniert wird.

Allerdings stellten sie die Bedingung, daß vor dem Antrag auf Mitgliedschaft die Konsequenzen für Außenpolitik und Sicherheit geprüft werden müssen. Zur Begründung des Annäherungswunsches heißt es: „Nur als Mitglied ist unser Land in der Lage, am Kooperationsprozeß in der Gemeinschaft teilzunehmen und diesen zu beeinflussen.“

Schon im Vorfeld des Parlamentsbeschlusses hatte das Nachbarland und bislang einzige skandinavische EG-Mitglied Dänemark ein schwedisches Beitrittsansinnen begrüßt. Auch aus der BRD kamen positive Signale. Frankreich und die südeuropäischen Länder hingegen sehen die skandinavische Annäherung an die EG zurückhaltender. Sie befürchten wachsenden Konkurrenzdruck für ihre Industrie und eine Anhebung der EG-Umweltschutzstandards.

In den nordischen Nachbarländern Schwedens wird jetzt der Anpassungsdruck an die EG zunehmen. Aus Oslo hat Ministerpräsidentin Brundtland bereits entsprechende Signale nach Brüssel gesandt, während die Regierung in Helsinki die Neutralität Finnlands noch für unvereinbar mit der EG hält. Sollten die beiden Länder nachziehen, blieben von der EFTA nur die Schweiz und Island übrig.