Blut und Verbitterung in Thokoza

Nach dem nächtlichen Massaker in dem Township nahe Johannesburg sind Südafrikas Politiker ratlos  ■ Aus Thokoza Hans Brandt

An einem dürftigen Zaun am Eingang der Siedlung Zonkesizwe hängt eine Schnur mit Wimpeln in rot, schwarz, gelb und grün — den Farben der konservativen Zulupartei Inkatha. Vor vier Wochen brachen hier die Kämpfe zwischen Anhängern von Inkatha und ANC aus. Nach etwa einer Woche und 18 Toten hatte Inkatha hier die Kontrolle übernommen. Alle ANC-Sympathisanten waren vertrieben worden.

So wird die Kolonne aus einem Bus und etwa fünfzig Autos am Mittwoch auch nur mit steinernen Blicken begrüßt. Die Wagen schlängeln sich zwischen den Blechhütten durch. Hier und da kommen die Bewohner aus ihren Verschlägen und stehen schweigend am Straßenrand. Am notdürftigen Marktplatz im Zentrum steigen Botschafter, Rechtsanwälte, Kirchenführer, Politiker fast aller Parteien aus. Um den großen weißen BMW hinter dem Bus drängt sich eine kleine Schar von Kindern. Aber die Insassen, Nelson Mandela und seine Frau Winnie, wagen sich nicht heraus. Nach kurzer Pause wird die Prominenz von den Organisatoren wieder in den Bus gescheucht. Die geplanten Gespräche mit Betroffenen bleiben aus.

Zwischen Montag und Dienstag sind hier, in dem Township Thokoza und den angrenzenden Slumsiedlungen Phola Park und Zonkesizwe, 52 Menschen getötet worden. „Hier haben nicht Inkatha und ANC, sondern Zulus gegen Xhosas gekämpft,“ meint ein alter Mann in Zonkesizwe. „Und, wenn Sie noch hier sind, dann sind sie sicher Zulu?“ „Nein,“ erwidert er mit Nachdruck auf Zulu. „Ich bin Mensch.“

Nur, einfach Mensch sein, das kann hier zur Zeit niemand. Angefangen hatte es, berichteten Bewohner des von Inkatha kontrollierten Wohnheimes für Wanderarbeiter, mit einem nächtlichen Angriff auf das Heim. Angeblich wurden Xhosa- Angreifer dabei von Polizei mit Tränengas unterstützt. Die Polizei dementierte. Am Dienstag morgen kam der Gegenangriff auf Phola Park. „Die Inkatha-Leute wurden von der Polizei hierher geführt und mit Waffen und Munition versorgt,“ erzählt ein Slumbewohner. Die Polizei dementierte.

Die Menschen in Phola Park sprechen nur Xhosa. Mandela ist selbst Xhosa. Er wird hier am Mittwoch überschwenglich mit Gesang und Tanz empfangen. „Wir werden bis zum bitteren Ende gegen Inkatha kämpfen,“ meint ein junger Mann. Er sieht nur eine vage Möglichkeit, dem Morden ein Ende zu setzen: Mandela und Zulu-Führer Mangosuthu Buthelezi müssen sich treffen. „Aber Buthelezi weigert sich“.

Auch zu dieser Tour wurde Buthelezi eingeladen. Er lehnte ab. Stattdessen besichtigte er am Mittwoch mit Polizeiminister Adriaan Vlok das Wohnheim für Wanderarbeiter in Thokoza. Als Mandela auch das Heim besuchen will, wird ihm und der ganzen Kolonne der Weg versperrt. „Verpißt Euch!“ ruft ein Heimbewohner und zieht sich den Finger über die Kehle. Er trägt ein Inkatha-T-Shirt mit dem Spruch „Sieg durch Frieden“ auf dem Rücken.