Schwarze Haare am Klavier

■ Die japanische Pianistin Aki Takase im Kammermusiksaal

Aki Takases Zimmer ist in einem Gebäude, das beliebig zusammengesetzt ist, aus Dissonanzen, Schrägen und Horizontalen; ein Gebäude, das aus dem Detailreichtum der verschiedensten Jahrhunderte schöpft. Alles, was Töne erzeugt, wird integriert. In Akis Zimmer heißt eine Komposition des Filipino Conrad del Rosario, das am Mittwoch von der japanischen Pianistin Aki Takase und dem Toki String Quartett im Kammermusiksaal aufgeführt wurde. Akis Zimmer wird zelebriert. Der langanhaltende Ton, den man hören kann, wenn man unter Strommasten steht, kommt darin vor und auch die Müdigkeit, wenn Aki ihre Arme auf die Tasten fallen läßt. Man hört, wie die Türen aufgehen und man in dieses Zimmer aus Tönen hineingeht. Der Komponist-Dirigent läßt die Pianistin darin alle Seiten-Saiten anschlagen. Aki Takase bearbeitet ihr Klavier von innen und außen. Später kommt zur Müdigkeit etwas wie Wut hinzu. Sie stößt mit dem Ellbogen auf die Tastatur. Am Ende wird die Stimmung vom Anfang wieder aufgenommen. Die Tür des Zimmers schließt sich vor den zuhörenden Zuschauern.

Der Besuch in Akis Zimmer ist nur eine Episode des Abends, Kompositionen von Schlippenbach, Miles Davies, Astor Piazzolla, Aki Takase selbst und dem Franzosen Milhaud stehen auf dem Programm. Neben dem Streichquartett spielt die Pianistin bei einigen Stücken mit dem Kontrabassisten Niels-Henning Orsted Petersen zusammen. Das erste Stück des Abends »Scaramouche- Mouscarache« von Milhaud ist nicht ganz die Melodie der aus einem Bahnhof ausfahrenden Züge, die nicht ganz die Melodie eines Hurrikans wird. Es gibt immer wieder ruhige Momente, in denen die Pianistin genug Zeit hat, sich die herunterfallenden Träger hochzuschieben. Die Berührung ihres Körpers ist Teil der Musik. Auch spielt sie ihre langen schwarzen Haare, das deutlichste Zeichen des Sturmes, als drittes Element neben den Halbtönen. Die Dynamik des Stückes entsteht durch immer wieder gemeinsame Einsätze des Streicherquartetts mit der Pianistin.

Aki Takase arbeitet bei ihren Interpretationen mit verschiedenen Musikstilen und Musikrichtungen. 1981 war sie zum ersten Mal beim Berlin Jazz Festival dabei, seitdem kommt sie jedes Jahr nach Europa. Sie mischt klassische Elemente mit Jazz. Deutlich wird dies bei ihrer eigenen Komposition Ellipse Music Varaety, wobei nicht klar ist, ob es sich bei »Varaety« um ein Wortspiel oder um einen Druckfehler handelt. Jazz wird mit Minimalmusic-Barockmusik und Jazz-Jarrett oder Minimal-Maximal-Varese gemischt. Auffallend dabei ist, wie leicht diese Musik zu konsumieren ist.

Im Verlauf des Abends wird deutlich, daß Piano, Kontrabaß und die Streicher bestimmten Klischees zugeordnet sind. Das klassische Element wird hauptsächlich vom Toki String Quartet gespielt. Es ist jedoch keine Klassik, auf der sich leicht ausruhen läßt, wird doch auf Disharmonien, auf Schläge auf die Notenständer oder auf Stampfen mit den Füßen nicht verzichtet. Niels-H. Orsted Petersen, der seinen Kontrabaß sehr weich spielt, fast wie eine Harfe, liefert das Jazzelement, und Aki Takase am Klavier spielt Jazz, Klassik und Experimentalmusik und außerdem auch noch die Lust an der Musik, wenn sie den Körper des Flügels berührt. Waltraud Schwab