Abwicklung schafft nur Verwicklung

■ Wieder neue Senatsvorlage zur Humboldt-Universität bekannt geworden/ Abwicklungspläne für viele Teilbereiche der Uni bestätigt/ Wissenschaftssenatorin weist das Papier als gefälscht zurück

Mitte. Durch die seit Tagen gerüchteweise bekanntgewordenen Abwicklungspläne der Wissenschaftsverwaltung des Senats gedrängt, tagte gestern das Konzil der Humboldt-Universität. Zur Diskussion standen Überlegungen zur personellen und strukturellen Erneuerung der Uni, die in den letzten Monaten nur schleppend voran kam. Ob die Pläne zu einer Personalstrukturkommission, die sich mit den einzelnen Wissenschaftlern beschäftigen soll, noch umgesetzt werden können, bleibt fraglich. Denn inzwischen ist die überarbeitete Senatsvorlage zur »Überführung der Humboldt-Universität« bekannt geworden.

In dem Papier heißt es, daß »Fachbereiche und Institute, die im besonderen Maße der ökonomischen, rechtlichen und ideologischen Struktur der ehemaligen DDR verpflichtet sind, wissenschaftlich neu konstituiert werden sollen«. Betroffen davon sind die Bereiche Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Geschichte, Erziehungswissenschaften, Philosophie, Kulturwissenschaften, Ästhetik. Den Mitarbeitern sollen bis März 92 befristete Verträge angeboten werden. Alle »organisatorischen Einheiten«, die sich der Vermittlung des Marxismus-Leninismus oder des wissenschaftlichen Kommunismus gewidmet hatten, würden ab 1.1.1991 abgewickelt. Für das gesamte Personal in Forschung und Lehre ruhen dann die Dienstverhältnisse. Weiter sollen nach dem Senatspapier die Fachbereiche Kriminalistik, Angewandte Informatik und Wissenschaftsforschung »mangels Bedarf« zum 1.1.1991 aufgelöst werden. Die Fakultät für Land- und Kommunaltechnik (ehemalige Ingenieurhochschule Wartenberg) und der Fachbereich Rehabilitationswissenschaften werden in der bisherigen Form nicht weitergeführt. Bis Ende nächsten Jahres soll über ihre Zukunft entschieden werden. Mit diesen »Entscheidungen hat die Landesregierung der Humboldt-Universität in wichtigen Teilbereichen Handlungsfähigkeit verschafft«, begründet die Vorlage die Eingriffe in die Autonomie der Universität. Rektor Fink hält weiterhin daran fest, daß die Abwicklung kein »taugliches Instrument« für notwendige »durchgreifende Strukturreformen« sei. Sie führe, so Fink, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum sofortigen »Kollaps« der entsprechenden Teilbereiche.

Wissenschaftssenatorin Riedmüller bezeichnete die Vorlage gegenüber StudentInnen als gefälscht. Bei einer teilweisen Abwicklung der Universität gehe es dem Senat nicht um »Einstellung« oder »Herauslösen« einiger Fachbereiche, sondern um personelle Erneuerung, sagte die SPD-Senatorin vor dem Konzil der Uni.

Noch vor wenigen Wochen hatte die Senatorin sich dafür ausgesprochen, daß »der Staat sich heraushalten sollte und es den Hochschulen überlassen, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten«. Da dieser Prozeß nicht mit der »notwendigen Härte« betrieben werde, wie Riedmüller sagte, wird nun anscheinend zu Generallösungen gegriffen. Die StudentInnen werden weiter protestieren. Kommenden Montag sperren sie die Straße Unter den Linden. Dienstag wollen sie vor dem Rathaus Schöneberg gegen die geplante Abwicklung demonstrieren. anbau