»Regiert werden muß sowieso«

■ Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU gingen gestern in die Details/ Finanzexperten: Für Ost-Berlin fehlen 6 Milliarden DM

Berlin. Im Rathaus Schöneberg war es eine Premiere: Zum ersten Mal traten gestern der noch Regierende Bürgermeister Walter Momper und sein Nachfolger Eberhard Diepgen gemeinsam vor die Presse, scheinbar traute Zweisamkeit demonstrierend. Sie berichteten von der ersten Sitzung der Koalitionsarbeitsgruppe, die sich mit dem schwierigen Thema Finanzen und Haushalt beschäftigen muß und gestern nachmittag zum ersten Mal tagte. Auf der Grundlage eines Schreibens von Finanzsenator Norbert Meisner (SPD) vom November wurde die Deckungslücke des Ostberliner Haushalts im nächsten Jahr auf rund 6 Milliarden DM geschätzt. Ausgaben von 10,6 Milliarden DM stehen nach den Worten Meisners aller Voraussicht nach nur Einnahmen in Höhe von 4,6 Milliarden DM gegenüber. Den Rest, so hoffen die Berliner Politiker, wird Bonn als weitere Bundeshilfe gemäß dem sogenannten 3. Überleitungsgesetz beisteuern. Zu den 13 Milliarden DM Bundeshilfe, die West-Berlin als Finanzhilfe zu seinem Haushalt in Höhe von insgesamt 27,3 Milliarden erhält, kommen noch einmal 6 Milliarden dazu. Auf die Frage, was passiert, wenn kein oder nur wenig Geld aus Bonn bewilligt wird, antwortete Diepgen ausweichend. Der Finanzsenator mußte einräumen, daß für West-Berlin bereits eine Ausgabensperre in Höhe von 15 Prozent für die Bezirke und 10 Prozent für die Hauptverwaltung verhängt worden sei. Zu weiteren Umschichtungen wollte sich niemand äußern.

Nichts Neues konnte Diepgen in der Frage eines Termins beim Bundeskanzler mitteilen, um den SPD und CDU gemeinsam ersuchen. Während Diepgen die Ansicht vertrat, daß die Koalitionsvereinbarungen auch ohne entsprechende Eckwerte aus Bonn unterzeichnet werden könnten, blieb Momper bei seiner Ansicht vom Vortag: »Die Koaltionsvereinbarungen hängen solange in der Luft, als es keine konkreten Zusagen aus Bonn gibt.« Diepgen zeigte sich davon unbeeindruckt und konterte mit einem »Regiert werden muß sowieso«. Die Sozialdemokraten plagt jetzt offensichtlich die Angst, daß Bonn sich stur zeigt, solange die SPD offiziell noch allein in der Regierung ist. Nach der Regierungsübernahme durch Eberhard Diepgen, so fürchten manche, könnte der Geldhahn in Bonn plötzlich aufgedreht werden und die SPD als endgültiger Versager dastehen.

Insgesamt haben gestern bereits vier der zehn Arbeitsgruppen, die am Mittwoch eingerichtet worden waren, ihre Arbeit aufgenommen. »Überall ist es mit guten Fortschritten vorangegangen«, wiegelte der CDU-Chef sämtliche Nachfragen nach Konfliktpunkten ab. Die Verhandlungen gehen heute weiter; von besonderem Interesse wird dabei das Thema Innenpolitik sein, bei dem es mit Sicherheit zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien kommen wird. kd