Alliierte Kracher im rechtsfreien Raum

■ US-Armee ignoriert bei ihren Schießübungen immer noch deutsche Umweltgesetze/ Senatsbehörden sehen ihre Hände gebunden/ Rechtsanwalt Reiner Geulen: Leisetreterei gegenüber den Alliierten völlig unnötig

Berlin. Bei der von CDU-Chef Eberhard Diepgen angekündigten Beseitigung »rechtsfreier Räume« sollte der neue Senat nicht nur an schwäbelnde Hausbesetzer denken, sondern auch an alliierte Besatzer. Anwohner des Schießplatzes »Rose Range« in Zehlendorf müssen zur Zeit die Erfahrung machen, daß die US-Armee nach wie vor deutsches Recht ignoriert — obwohl die Zeit des Besatzungsrechts in Berlin schon vor über zwei Monaten mit der deutschen Einheit ein Ende fand.

Mehrfach habe er bei der Polizei Anzeige erstattet, sagt Helmut Meewes, der mehrere hundert Meter von dem Schießplatz entfernt am Großen Wannsee lebt. Obwohl ruhestörender Lärm nach bundesdeutschem Recht am Wochenende verboten ist, hätten die Amerikaner bisher lediglich ihre sonntäglichen Schießübungen eingestellt. Sonnabends werde geballert wie eh und je, nicht nur von US-Soldaten, auch von deutschen Sportschützen, die auf Einladung des »US Rod and Gun Club« mit Schrot auf Tontauben feuern.

Auch Naturschutzexperten des Senats bezweifeln, ob der Schießbetrieb mitten im Landschaftsschutzgebiet Düppeler Forst legal ist. In der Nachbarschaft von »Rose Range« wurden Lautstärken bis zu 90 Dezibel gemessen, höchstens 50 Dezibel wären im Schutzgebiet erlaubt.

Trotzdem wartet Meewes bis heute vergeblich auf ein Einschreiten der deutschen Behörden. Damit steht er nicht allein. »Wir haben schon einige Bürgerbeschwerden hier«, sagen die für den Lärmschutz zuständigen Beamten in der Senatsumweltverwaltung. Doch sie sehen ihre Hände gebunden: »Wir können auf den alliierten Liegenschaften keine Hoheitsrechte ausüben«, heißt es. Die Rechtslage sei »äußerst kompliziert«, wird in der Verwaltung argumentiert. Nach dem Nato-Truppenstatut, das nun auch in Berlin gelte, müßten die alliierten Streitkräfte deutsches Recht zwar »achten«, deutsche Behörden könnten aber zur Durchsetzung dieser Gesetze keine Sanktionen verhängen.

Man könne den alliierten Truppen deshalb lediglich »Wünsche« übermitteln, heißt es. Und die würden von den Senatsbehörden zur Zeit noch zusammengestellt. So gebe es auch »vage Vorstellungen«, wie der Schießlärm in »Rose Range« vermindert werden könnte.

Solche Leisetreterei gegenüber alliierten Krachmeiern hält der renommierte Berliner Rechtsanwalt Reiner Geulen für falsch. Die Truppen »dürfen nicht gegen Umweltschutzbestimmungen verstoßen«, versichert der im Alliierten-Recht versierte Anwalt. Das Nato-Truppenstatut dürfe in Berlin gar nicht angewandt werden. In den Zwei-plus- vier-Verhandlungen sei das westliche Militärbündnis ausdrücklich nicht auf das Gebiet östlich der Elbe ausgedehnt worden, erinnert Geulen. Darüber hinaus lege selbst das Nato-Statut fest, daß »die deutschen Behörden die zur Wahrnehmung deutscher Belange erforderlichen Maßnahmen innerhalb der Liegenschaften durchführen«.

Die Frage, ob deutsches Recht auch für die allierten Einrichtungen in Berlin gilt, ist nicht nur für Schießplätze von Bedeutung. »Dieser Konflikt kocht jetzt an einigen Stellen hoch«, sagt Geulen. Er vertritt zur Zeit für die ÖTV die Interessen der deutschen Zivilbeschäftigten bei den Alliierten. Für sie geht es um die Frage, ob sie sich seit dem Wegfall des Besatzungsstatus auf das deutsche Arbeitsrecht berufen können. Wenn ja, hätte das Folgen: Amerikaner, Franzosen und Briten wären verpflichtet, den Abbau von Stellen mit Sozialplänen abzufedern. hmt